Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Der Sumpfrohrsänger (Acrocephalus palustris)

Sumpfrohrsänger (Foto: Wolfgang Höll)
Sumpfrohrsänger (Foto: Wolfgang Höll)

Der Sumpfrohrsänger kommt als Langstreckenzieher erst im Mai (bis Mitte Juni) in seine mitteleuropäischen Brutgebiete zurück, wo er nach einem langen Zugweg aus seinen Überwinterungsgebieten im südöstlichen Afrika nur knapp drei Monate verbringt. Der Sumpfrohrsänger ist in Mitteleuropa die häufigste Rohrsängerart. Während seiner kurzen Anwesenheit bei uns ist der versteckt lebende, unscheinbar gefärbte Singvogel (Länge circa 13 cm, Gewicht 11-14 g, graubraune Oberseite, beigeweiße Unterseite, gleiche Färbung der Geschlechter) nur selten zu sehen. Er macht sich vor allem durch seinen kraftvollen, lebhaft aus der Deckung vorgetragenen, oft minutenlang anhaltenden Spottgesang bemerkbar.

 

Sumpfrohrsänger (Foto: Peter Witzan)
Sumpfrohrsänger (Foto: Peter Witzan)

Der Sumpfrohrsänger ist vielseitig in der Wahl seines Lebensraums: Typische Bruthabitate sind üppige, gern feuchte Hochstaudenfluren bevorzugt an Gräben oder Gewässerufern, auch durchsetzt mit lockerem Schilf und Büschen, Feuchtgebüsche, Brennnessel-Schilf-Dickichte, Nassbrachen sowie feuchte Ruderalflächen. Reine Schilfröhrichte und wasserdurchflutete Bestände werden hingegen gemieden. Besiedelt werden auch trockenere Saum- und Schlagfluren von Wäldern. In Optimalhabitaten (v.a. Brennnessel) wurden kleinflächig höchste Siedlungsdichten von bis zu 23 Revieren (Nestfunde) auf 3 ha nachgewiesen, bei 5-10 m breiter Ufervegetation entlang eines Baches wurden maximal 83 Brutpaare auf 2,1 km Bachlauf mit einem minimalen Nestabstand von nur 6 m beschrieben. An Uferrandstreifen ist die Brutdichte sehr stark von der Breite der Streifen abhängig und Reviere sind oft nicht klar abgrenzbar, weil die Brutvögel umgebende, auch landwirtschaftlich genutzte Flächen (z.B. Raps- und Getreidefelder) mit nutzen.

Sumpfrohrsängerjunge (Foto: Markus Dähne)
Sumpfrohrsängerjunge (Foto: Markus Dähne)

Voraussetzung für die Besiedelung und Nestanlage ist ein dichtes Pflanzengewirr mit stabilen vertikalen Strukturen  (Althalme) in der Krautschicht. Der Nestnapf wird zwischen die Stängel von Hochstauden eingewoben, bei uns meist zwischen Brennnesseln, Mädesüß oder Wasserdost, nur selten im Schilf und fast ausschließlich über trockenem Boden. Es gibt eine Jahresbrut mit meist 5 (3-6) Eiern, die 12 bis 14 Tage lang von beiden Partnern bebrütet werden. Die Jungen verlassen das Nest kletternd, noch bevor sie fliegen können, und verstecken sich in der Umgebung. Nicht selten werden sie von den Eltern in zwei Gruppen aufgeteilt, infolgedessen auch der Zusammenhalt des Brutpaares erlischt. Die Lebenserwartung beträgt bis zu fünf Jahre. Zur Nahrung dienen verschiedene Insekten, Insektenlarven und kleine Schnecken.

Sumpfrohrsängervorkommen im Lkr. STA in den Jahren 2014-2016
Sumpfrohrsängervorkommen im Lkr. STA in den Jahren 2014-2016

Verbreitung: Der Sumpfrohrsänger ist in Europa (vorwiegend Mittel- und Osteuropa bis Südskandinavien) weit verbreitet, hier leben etwa 3/4 des paläarktischen Weltbestandes. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer beträchtlichen Erweiterung des Brutareals nach Norden und auch in die Mittelgebirge, Gründe dafür sind neben der Klimaerwärmung auch landwirtschaftliche Überdüngung (die das Brennnesselwachstum fördert) und Verbuschung von Feuchtgebieten sowie Entwaldung. Seit Ende der 1990er Jahre verläuft der Bestandstrend in Deutschland allerdings wohl überwiegend negativ. Typisch sind starke regionale und vor allem lokale Fluktuationen, mit Neuansiedlungen und Erlöschen von Brutvorkommen in Abhängigkeit von Lebensraumveränderungen. Problematisch sind  Mäharbeiten während der Brutperiode in ufernahen Lebensräumen und entlang von Wegen in Feuchtgebieten. Zunehmend sind Lebensraumverschlechterungen in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten.

Für Deutschland werden laut dem ADEBAR Atlas Deutscher Brutvogelarten für 2005-2009  370.000-540.000 Reviere angegeben, entsprechend etwa 10 % des europäischen Bestands.

Für Bayern wurden im Bayer. Brutvogelatlas für 2005-2009 nur 18.500-44.000 Brutpaare angegeben, wobei das Problem einer Bestandsunterschätzung diskutiert wurde (u.a. weil viele Reviere erst im Juni besetzt und somit bei Kartierungen leicht übersehen werden). 

Im Landkreis Starnberg sind eher wenige Brutvorkommen bekannt, vor allem in größeren Niedermoorgebieten (Leutstettener Moos, Ampermoos), an Bachläufen mit Resten eines natürlichen Ufersaums (Lüßbach, Halsbach, Aubach) und im Kiesgrubenbereich bei Ober-/Unterbrunn, wie anhand der ornitho-Meldungen der Jahre 2014-2016 sichtbar wird.

Sumpfrohrsänger (Foto: Peter Witzan)
Sumpfrohrsänger (Foto: Peter Witzan)

Der Gesang ist ein sehr abwechslungsreicher, lebhaft schwätzender, nur durch kurze Pausen unterbrochener Schwall quirlender, gequetschter, rauher und pfeifender Laute in meist heller Tonlage und flotten Tempo. Er besteht dabei fast ausschließlich aus Imitationen von Rufen und Gesangsteilen anderer Vogelarten in bunten Gemisch und rhythmisierter Form, mit Wiederholung von Elementen in Serien, aber ohne klare Strophengliederung, teils mit vielleicht arttypischen Schmatzlauten untermischt. Regionale Populationen unterscheiden sich durch das Spektrum der nachgeahmten Vogelarten. 

Jungvögel lernen den Gesang nicht von ihren Eltern, (die "Väter" hören nämlich auf zu singen, sobald sie mit dem Füttern beginnen, manche sogar gleich nach der Paarung), sondern nach ihrer vielfältigen Hörerfahrung anderer Arten. Jeder Sumpfrohrsänger singt also ein individuelles Spottlied mit im Schnitt 80 Imitationen, kann minutenlang singen, ohne sein ganzes Repertoire gezeigt zu haben. Bislang sind Imitationen von 212 Vogelarten bekannt, etwas mehr als die Hälfte davon aus afrikanischen Durchzugs- und Überwinterungsgebieten.

Hauptgesangsperiode ist Mitte Mai bis Mitte Juni, am lebhaftesten in der Morgendämmerung und oft auch nachts. Der Vogel singt im allgemeinen aus der Deckung heraus, nur selten von freier Warte, es gibt keinen Singflug. Beide Geschlechter singen. Der Nachtgesang erlischt nach der Paarbildung. Nachbarn versammeln sich im Brutgebiet manchmal auf engem Raum zu vorübergehenden gemeinsamen Singen. Auf dem Zug Gesang auch in nicht arttypischen Habitaten, wie Gebüsch in Gärten. Daneben gibt es verschiedene Erregungs- und Alarmrufe.

Die folgenden Tonaufnahmen aus "xeno-canto" dokumentieren die enorme Vielfalt des Sumpfrohrsängergesangs, wobei nur selten Artzuordnungen der Imitationen (z.B. Rauchschwalbe, Amsel, Feldsperling, Grünfink, Blaumeise) zu erahnen sind:

Im xeno-canto findet man auch eine relativ lange Audio-Aufnahme, bei der der Autor die unterschiedlichen europäischen und afrikanischen Arten identifiziert hat, die der Sumpfrohrsänger imitiert. Entsprechende Angaben findet man im erläuternden Text der Aufnahme.
Teichrohrsänger (Foto: Antje Geigenberger)
Teichrohrsänger (Foto: Antje Geigenberger)

Ähnliche Arten: Dem Sumpfrohrsänger sehr ähnlich ist der bei uns ebenfalls relativ häufige Teichrohrsänger.  Die Unterscheidung des Sumpfrohrsängers vom Teichrohrsänger gelingt im Feld am besten durch Gesang und Lebensraum, kaum anhand des Aussehens. Letzterer ist ein Charaktervogel von im Wasser stehenden Schilfgebieten, wird auf dem Zug aber auch in Büschen und anderer Vegetation angetroffen. Der Teichrohrsänger ist ein "Metronomsänger" mit stark rhythmisch gegliederten, eher monotonem Gesang, wobei in meist gemächlichem Tempo skandierend zumeist raue knarrende und kratzende Töne zwei bis dreimal wiederholt werden, mit eingefügten Imitationen oder Pfeiflauten.

Eine Unterscheidung anhand des Aussehens ist eher selten möglich, beide sind oberseits einfarbig braun, unterseits beigeweiß. Typisch gefärbte Sumpfrohrsänger sind eher olivbräunlich und zeigen nicht die warmbraune bis warm beigefarbene, insgesamt dunklere Tönung das Teichrohrsängers; dieser ist zudem an den Flanken und am Bürzel oft schwach rostfarben. Der Gesichtsausdruck des Sumpfrohrsängers wirkt " freundlicher" durch den rundlicheren Kopf mit  etwas kürzeren Schnabel sowie den meist deutlicheren hellen Augenring.

Der manchmal ähnlich klingende, gelb-olivgrün gefärbte Gelbspötter singt stets viel höher in Büschen oder Bäumen.

 

(Text: Wolfgang Spatz)

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