Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Der Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata)

Kreuzenzian (Foto: Wolfgang Höll)
Kreuzenzian (Foto: Wolfgang Höll)

Enzian ist bitter; das finden auch die Kühe und Schafe – und diesem Umstand verdanken wir manche schöne Enzianwiese auf den Almen: Denn das Vieh lässt den Enzian stehen, frisst aber die Gräser und Kräuter darum herum. Im Prinzip gilt das für alle Enzian-Arten, auch den Kreuz-Enzian, der keine ausgesprochene Gebirgspflanze ist, sondern mittlere Lagen bevorzugt, z.B. auf der Schwäbischen Alb, der Frankenalb oder in der bayerischen Schotterebene. Solange auf diesen – ursprünglich sehr kargen – Böden Schafe weideten, war dort der Kreuz-Enzian durchaus nicht selten. Heute ist er eine ausgesprochene Rarität, denn wo keine Schaf-Weidewirtschaft mehr betrieben wird, verschwindet er, weil er von anderen Gewächsen überwuchert wird, zumal wenn auch noch kräftig gedüngt wird. Es ist daher ein Glücksfall, dass sich der Kreuz-Enzian im ehemaligen Pionierübungsgelände bei Krailling gehalten hat, wo nun sein Bestand gesichert ist; anstelle der Schafe müssen jetzt freilich die ehrenamtlichen Helfer des LBV einspringen und für geeignete Bedingungen sorgen: regelmäßig mähen, Mähgut wegräumen, entbuschen, dabei aber den Kreuzenzian schonen etc.

 

Gruppe von Kreuz-Enzian (Foto: Klaus Gottschaldt)
Gruppe von Kreuz-Enzian (Foto: Klaus Gottschaldt)

An geeigneten Standorten ist (oder war) der Kreuz-Enzian fast überall in Europa und Westasien verbreitet; in Bayern steht er indes auf der Roten Liste als „gefährdet“ (Stufe 3), in anderen Bundesländern mit noch kritischeren Stufen. Er ist, wie alle Enzian-Arten, eine geschützte Pflanze nach dem Bundes-Naturschutz-Gesetz.

 

Noch seltener und gefährdeter als der Kreuz-Enzian ist in Bayern der Enzian-Ameisenbläuling (Rote Liste Kategorie 2). Auf eher trockenen Standorten leben die jungen Raupen zunächst in den Knospen des bitteren Kreuz-Enzians. Dort laufen sie nicht so sehr Gefahr, zusammen mit ihrer Futterpflanze vom Weidevieh gefressen zu werden. Später gibt sich die Raupe mit Duftstoffen und Gesang als Ameisenkönigin aus, wird von bestimmten Knotenameisen im Nest aufgenommen und dort – ähnlich einem jungen Kuckuck – durchgefüttert. Ein Nachweis des Enzian-Ameisenbläulings (Phengaris alcon im Pioniergelände wäre sensationell. Für den aufmerksamen Beobachter evtl. am einfachsten zu finden sind die weißen Eier des Bläulings, die nahe den Enzianknospen abgelegt werden.

 

Blüten des Kreuz-Enzians (Foto: Klaus Gottschaldt)
Blüten des Kreuz-Enzians (Foto: Klaus Gottschaldt)

Der Kreuz-Enzian ist wenig anspruchsvoll hinsichtlich der Nährstoffe und wächst auf kalkigen, trockenen Böden, braucht aber reichlich Sonne. Seinen Namen verdankt er sowohl den Blättern als auch den Blüten. Seine Blätter stehen „kreuz-gegenständig“, d.h. es stehen am Stängel immer zwei Blätter einander gegenüber, wobei jedes Blattpaar im rechten Winkel zum vorangehenden ausgerichtet ist. Das hat der Kreuz-Enzian zwar mit allen Vertretern der Familie Enziangewächsen gemeinsam. Doch ergibt sich besonders bei ihm wegen seiner aufrechten aber gedrungenen Fotos! Wuchsform sowie der verhältnismäßig langgestreckten Form seiner Blätter ein ausgeprägt „kreuzartiges“ Erscheinungsbild. Seine Blüten – sie sind himmelblau und stehen jeweils zu mehreren in den oberen Blattachseln – haben im Unterschied zu den meisten anderen Enzianarten nicht fünf, sondern vier Kronenzipfel, was ebenfalls zur Namensgebung beigetragen haben mag.

 

Zum Schluss noch etwas Historisches: Die Blütenkrone des Kreuzenzians endet in vier Zipfeln; sie besteht aus vier miteinander verwachsenen Blütenblättern; in Entsprechung dazu sind auch vier Staubblätter vorhanden. Bekanntlich hat der Gründer der systematischen Botanik, Carl v. Linné (1707–1778) die Blütenpflanzen nach Anzahl und Anordnung der Staublätter in Klassen eingeteilt. Der Kreuz-Enzian findet sich in seinem System aber nicht unter den „Tetrandria“ (d.h. den Pflanzen mit vier Staubblättern), sondern den „Pentandria“ (fünf Staubblätter). Wieso das? Linné ging es um die natürliche Verwandtschaft der Pflanzen und er war sich bewusst, dass sein System nur als ein Behelf dienen kann, bis die Vielfalt der Arten hinreichend erforscht sein würde, um die natürlichen Beziehungen besser zu verstehen. Dass der Kreuz-Enzian mit den anderen Enzianen, die ja meist fünf Staubblätter haben, sehr nahe verwandt ist – deshalb die gleiche Gattung! – war ihm klar. Er wollte ihn also nicht in eine andere Klasse stellen, und so ließ er denn – im wörtlichsten Sinn – hier auch einmal fünf gerade sein.

 

(Text: Dr. Rudi Netzsch)