Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Von der Wasservogelzählung zur Naturalist: Vogelmonitoring in Bayern

Beim Orni-Stammtisch der ASO am 25. Juli 2023 hatten sich knapp 40 Ornis eingefunden, um den Vortrag von Thomas Rödl von der Vogelschutzwarte Garmisch-Partenkirchen zum Thema „Neues aus dem Vogel-Monitoring“ zu hören. Thomas Rödl hatte bereits im Jahr 2015 bei der ASO über „Quantitative Vogelerfassung“ vorgetragen.

 

350 Bayrische Ornithologen sind beim Monitoring häufiger Brutvögel (MhB) seit dem Jahr 2004 ca. 40.000 km im Feld unterwegs gewesen, um Vögel zu zählen. Das ist quasi die Strecke einer Erdumrundung. Und dabei ging es nicht um die besonderen Arten, sondern um eine quantitative Erfassung der Allerweltsarten wie Buchfink oder Amsel. Eine erstaunliche Leistung der Ehrenamtlichen. Warum nehmen das die Leute auf sich?  Eine Umfrage bei entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen hat ergeben, dass die mit Abstand wichtigsten Motive der Beteiligten „Freude und Spaß haben“ sowie „Kenntnisse und Erfahrungen erweitern“ waren. Ein sehr interessantes Ergebnis, das ein wenig die hohe Beteiligung von ehrenamtlichen Ornis bei solchen Programmen erklärt.

 

Die Vogelbeobachtung und vor allem die Dokumentation der Beobachtungen hat sich in den letzten Jahren dramatisch geändert. Früher wurden die Beobachtungen auf Papier oder in Feldtagebüchern notiert, inzwischen nutzen fast alle Ornis das System www.ornitho.de, um ihre Beobachtungen zu dokumentieren. Ornitho hat bei vielen das Feldtagebuch ersetzt. Thomas Rödl erinnerte in seinem Vortrag an den früheren Leiter der Vogelschutzwarte, Einhard Bezzel, der all seine Beobachtungsdaten seit dem Jahr 1951 nachträglich digital im ornitho erfasst hat. Seine Daten sind heute eine wichtige Grundlage für viele Auswertungen. Einhard Bezzel hatte im Jahr 2017 bei der ASO über seine Beobachtungen vor der Haustür berichtet. Heute (Juli 2023) umfasst der Datenbestand von ornitho in Deutschland ca. 80 Millionen Datensätze („big data“). Aber „big data“ ist noch nicht Monitoring. Zwar können aus ornitho viele Erkenntnisse gewonnen werden, die Daten werden bspw. auch schon vor Gericht anerkannt, aber es handelt sich bei ornitho-Daten immer noch um (sehr viele) Gelegenheitsbeobachtungen. Es gibt Datenlücken, Häufigkeitsverzerrungen und fehlende Beobachtungen z.B. von Neststandorten oder schwer erfassbaren Daten.

 

 

Hier sollen die Monitoringprogramme Abhilfe schaffen. Was bedeutet nun Monitoring? Im Wikipedia steht dazu: „Monitoring ist die Überwachung von Vorgängen.[1] Es ist ein Überbegriff für alle Arten von systematischen Erfassungen (Protokollierungen), Messungen oder Beobachtungen eines Vorgangs oder Prozesses mittels technischer Hilfsmittel oder anderer Beobachtungssysteme.“  Es geht also um Standardisierung und Vergleichbarkeit. Prof. Beate Jessel (Bundesamt für den Naturschutz) hat Monitoring für den Naturschutz folgendermaßen beschrieben:Monitoring für den Naturschutz beinhaltet

  • die wiederholte Erfassung des Zustandes von Natur und Landschaft oder deren Bestandteile sowie darauf einwirkender menschlicher Aktivitäten.
  • das Wahrnehmen von Veränderungen und die Ausrichtung auf Ziel- oder Grenzwerte

In diesem Sinne wurden Anfang der 2000er Jahre auf politischer Ebene Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern getroffen, die den organisatorischen Rahmen für die diversen Monitoringprogramme bilden. Wesentliche Punkte waren dabei (Grundsätze von Steckby – 2004/2004):

  • Dauerhafte Etablierung von fachlich aufeinander abgestimmten Programmen zum Vogelmonitoring mit einheitlichen Methodenstandards.(Bund, Länder, Verbände, Ehrenamt)
  • Entwicklung und Aufbau einer tragfähigen und effektiven Organisationsstruktur
  • Stärkung des ehrenamtlichen Engagements und der Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt. 

Ziele für das systematische Brutvogelmonitoring sind:

  • Brutareal (Erstellung von Brutvogelatlanten wie z.B. ADEBAR)
  • Bestandsermittlungen (Anzahl der Brutpaare (gezählt bzw. berechnet))
  • Trendbestimmung (Entwicklung der Population im Laufe der Zeit)
  • Gebietsmonitoring (Entwicklung innerhalb der EU-Vogelschutzgebiete)
  • Regional- und Eingriffsplanung (zB. Windkraft, Straßenbau)
  •  Information von Öffentlichkeit und Politik.

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Trendbestimmung ist die Entwicklung der Brutvogelzahlen in Europa seit dem Jahr 1980, aus der der rasante Niedergang der Zahlen bei den Vögeln der Agrarlandschaft erkennbar ist (siehe nebenstehende Grafik).

 

 

Im weiteren Verlauf seines Vortrags ging Thomas Rödl auf die unterschiedlichen Monitoringprogramm ein. Seit 2004 wird das Monitoring häufiger Brutvögel(MhB)  deutschlandweit durchgeführt. In Bayern gibt es dazu ca. 450 Probeflächen, die nach statistischen Kriterien ausgewählt wurden, und die repräsentativ für alle Naturräume in Bayern stehen. (Anmerkung: einen Erfahrungsbericht über das MhB sowie weitere Informationen zum MhB findet man hier).

 

Die Werkzeuge zum MhB werden laufend verbessert, inzwischen gibt es die Möglichkeit, die Daten im Feld per App „Naturalist“ zu erfassen. Und die Schreibtischarbeit mit dem Auswerten der Reviere kann inzwischen durch einen Algorithmus „Autoterri“ wesentlich erleichtert werden. Durch das MhB können inzwischen bei 56 (+16) Arten statistisch belastbare Trends ermittelt werden.

 

Neben dem Monitoring häufiger Brutvögel gibt es noch das Monitoring seltener Brutvögel (MsB) mit einigen Modulen, die in Bayern bereits im Einsatz sind (z.B. das Spechtmodul oder das Saatkrähenmodul). (Anmerkung: Bei der ASO werden die meisten dieser Module bereits verwendet). 

Über die wirklich seltenen Arten wie zum Beispiel Wiedehopf oder Ziegenmelker weiß man im Allgemeinen recht gut Bescheid. Diese Daten sind bei den Ornis bekannt, sog. „eh-da Daten“, also Daten, die eh schon da sind. Diese Daten werden von der Arbeitsgemeinschaft seltene Brutvögel in Bayern (AGSB) jährlich dokumentiert. Mit den Daten des MhB, der ABSB sowie den etablierten Modulen des MsB sind (Stand heute) ca. 55% der Brutvogelarten Bayerns abgedeckt.

 

Für alle weiteren Arten sind Erweiterungen der MsB-Module geplant. Eine besondere Herausforderung sind die Alpenvögel, wo auf Grund der Schneelage, des Anfahrtswegs und der Begehbarkeit des Geländes spezielle Methoden notwendig sind. Über die Herausforderungen bei der Kartierung in den Bergen konnte Thomas Rödl aus eigener Erfahrung sehr anschaulich berichten. Für Greifvögel und Eulen sind in nächster Zeit noch Erfassungsprogramme geplant, ebenso wird es neue Module für Binnengewässer, Röhrichtbrüter, Wiesenlimikolen, etc. geben. In manchen Bundesländern sind diese Module schon eingeführt, in Bayern steht die Einführung vor der Tür. Mit all diesen Modulen kann man  99% der Brutvogelarten Bayerns abgedeckt, für einige wenige Arten wie Waldschnepfe oder Halsbandschnäpper müssen noch spezielle Lösungen gefunden werden.

Die Programme des Vogelmonitorings werden, was die Feldarbeit betrifft, zum großen Teil von ehrenamtlichen Ornis durchgeführt. Hier ist eigentlich für jeden interessierten Orni etwas dabei. Monitoringprogramme gibt es jahreszeitlich von Februar bis Juli. Man kann frühmorgens oder spät abends losziehen. Es eignet sich für Ornis mit sehr guten Artenkenntnissen (für die Königsdisziplin Monitoring häufiger Brutvögel)  und für Ornis mit Kenntnissen bestimmter, leicht zu bestimmender Arten (z.B. bei den Koloniebrütern oder den Spechten). In Bayern beteiligen sich bislang über 350 Ornis an den einzelnen Modulen des Monitorings seltener Brutvögel. Auch bei der ASO beteiligen sich mehr als 10 Ornis an den unterschiedlichen Programmen. Und wenn in den nächsten Jahren weitere Module in Bayern freigeschaltet werden, wird die Beteiligung vermutlich noch steigen.

Im Anschluss an den Vortrag wurde noch viel diskutiert. Der Referent beantwortete geduldig alle aufkommenden Fragen. Herzlichen Dank an Thomas Rödl für einen hochinteressanten und sehr lebendig gestalteten Vortrag. Hoffentlich hat der Vortrag manchen motiviert, hier in Zukunft bei dem ein oder anderen Monitoringprogramm mitzuarbeiten.

 

(Text: Pit Brützel; Fotos aus Vortrag von Thomas Rödl)