Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Mammutprojekt Nistkasten – LBV greift Vogelwelt unter die Flügel

Richard Gebendorfer betreut über 400 Nistkästen im Würmtal

Nistkasten kaufen, aufhängen – und fertig? Ganz so einfach ist es freilich nicht, will man der heimischen Vogelwelt mit den künstlichen Nisthilfen sinnvoll unter die Arme beziehungsweise Flügel greifen. Der LBV Starnberg und die dazugehörende Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen (ASO) haben sich genau das vorgenommen und daher eine ganze Reihe passgenauer und artspezifischer Nistkastenprojekte initiiert.

 

So vielfältig Vogelarten, Lebensräume und Bedingungen sind, so groß ist die Auswahl der Nistkästen. Maße und Bauart, Größe des Einfluglochs sowie - extrem wichtig - die Wahl des passenden Aufhängeplatzes sind zu bedenken. So sollte zum Beispiel die Einflugöffnung vor starkem Regen geschützt liegen, beim Anbringen in Bäumen empfiehlt sich daher eine Süd-Ost-Ausrichtung. Vor jeder Aktion aber muss analysiert werden: Ist es tatsächlich sinnvoll, in einem Gebiet eine größere Zahl an Kästen anzubringen? Schließlich ist das Aufhängen künstlicher Nisthilfen ein Eingriff in die Natur.

 

Einer von ca. 1000 Nistkästen, die Albert Soyer gebaut hat  (Foto: Richard Gebendorfer)
Einer von ca. 1000 Nistkästen, die Albert Soyer gebaut hat (Foto: Richard Gebendorfer)

 LBV reagiert auf “Wohnungsnot“ in der Vogelwelt

 

Beim LBV stellt man sich die Frage immer wieder aufs Neue. So auch Albert Soyer, der vor etwa 50 Jahren erkannte, dass im Buchendorfer Wald und im Forst Kasten im Hinblick auf die Brutmöglichkeiten für viele Arten ungünstige Bedingungen herrschten. Auf den Wiesen und Feldern waren aufgrund der Flurbereinigung keine Sträucher, Buschreihen und Bäume mehr vorzufinden. Die Wälder um Buchendorf bestanden überwiegend aus Fichten-Monokulturen. Es gab kaum Brutmöglichkeiten für Höhlenbrüter und Vögel, die Sträucher und Buschreihen benötigen. Schwere Zeiten für Meisen, Kleiber, Käuze oder die Goldammer.

 

Es bestand Handlungsbedarf - und es wurde gehandelt. Mit der Hilfe verschiedener Grundstückseigentümer, Waldbesitzer und Landwirte veränderte Albert Soyer das Gebiet um Buchendorf. Unterstützung bekam er vom LBV Starnberg und seinem damaligen Vorsitzenden Xaver Zacherl, der Gemeinde Gauting und Arbeitskollegen. Albert Soyer baute in Eigenregie Nistkästen für Kleinvögel und Käuze. Er pflanzte Bäume, Sträucher und legte mehrere Biotope mit kleinen Tümpeln an.

Nistkastentransport (Foto: Richard Gebendorfer)
Nistkastentransport (Foto: Richard Gebendorfer)

Nistkasten-Initiative ein Langzeitprojekt

 

Neben den Maßnahmen in Buchendorf und im Buchendorfer Wald wurde in der Folgezeit auch der Forst Kasten mit zunächst gut 200 Nistkästen bestückt, deren Pflege vor etwa 25 Jahren der Gartenbau- und Landespflegeverein Krailling e.V. übernahm. In erster Linie kümmerten sich über die Jahre Toni März, Helmut Schmidbartl und Heidi Weigert um das Projekt. Seit 2012 verantwortet Vereinsmitglied Richard Gebendorfer, der zudem für die Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen (ASO) aktiv ist, die Pflege der Nistkästen. Infolge der Unterstützung durch Revierförster Josef Wöhrle wurde die Zahl der Kleinvogelkästen im Forst Kasten schließlich auf 230 erhöht.

 

Im Buchendorfer Wald sind es derzeit etwa 160 Kästen. Diese betreute bis 2020 Albert Soyer, seit 2020 wird die Aufgabe komplett von Richard Gebendorfer im Auftrag der ASO gestemmt. Dabei ist auch Kreativität gefragt. Obwohl die Distanzen zwischen den Kästen mitunter groß und die zu transportierenden Materialien schwer sind, kommt Richard Gebendorfer ohne Auto aus – dank einer Spezialanfertigung, mit deren Hilfe sich Leiter und Kästen mit dem Fahrrad mitnehmen lassen.

 

Die Nistkasten-Initiative ist und bleibt ein wichtiges Langzeitprojekt der Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen (ASO) sowie des Gartenbau- und Landespflegevereins Krailling e.V. Mit Erfolg. Richard Gebendorfer berichtet von einer jährlichen Belegungsrate von 95 bis 98 Prozent. Die Bandbreite der “Bewohner“ reicht von Vögeln über Insekten bis hin zu Säugetieren. Da die Tiere bei der Reinigung der Kästen fast nie vor Ort angetroffen werden, müssen Hinterlassenschaften wie Nester, Eier, Waben oder Nahrungsreste zur Bestimmung herangezogen werden.

Hornissennest (Foto: Richard Gebendorfer)
Hornissennest (Foto: Richard Gebendorfer)

 

 

Kleiber, Hornisse, Siebenschläfer – Nistkästen heiß begehrt

 

Ein schönes Beispiel hierfür ist der Kleiber, der die Kästen als Höhlenbrüter ausgesprochen gerne annimmt. "Man kann dann erkennen, wie der Kleiber erst Holzstücke für das schnelle Hochbauen in den Kasten eingebracht und danach mit Rindenplättchen weitergebaut hat“, erklärt Richard Gebendorfer. Neben dem Kleiber dominieren bei den gefiederten Gästen Blau-, Kohl- und Tannenmeise. Immer mal wieder trifft man bei den Kontrollen auf die Spuren der Hornisse, deren Stockwerk-Waben mitunter den gesamten Kasten einnehmen - und manchmal auch weit darüber hinausgehen, wie das Foto zeigt.

 

Siebenschläfer im Nistkasten (Foto: Richard Gebendorfer)
Siebenschläfer im Nistkasten (Foto: Richard Gebendorfer)

Ein anderer Stammgast ist der Siebenschläfer, der etwa 2020 im Forst Kasten und Buchendorfer Wald in rund 125 Kästen festgestellt wurde. Der aus der Familie der Bilche stammende Nager bezieht die Nisthilfen auch gerne als "Nachmieter" und setzt sich dabei im wahrsten Sinne des Wortes ins gemachte Nest der Vögel, wenn diese ausgeflogen sind. "Da lässt sich eine Entwicklung erkennen. Nach einigen Jahren mit niedrigeren Jahren nimmt der Siebenschläfer in jüngerer Vergangenheit wieder zu", erläutert Richard Gebendorfer.

 

Neben den fast 400 Kästen für Kleinvögel betreut die Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen (ASO) mehr als 60 Kästen und Röhren für die drei vorkommenden Kauzarten. Betreuen bedeutet immer auch reinigen. Im späten Herbst, wenn das Brutgeschäft längst vorbei ist, geht es mit Leiter und Spachtel raus in die Wälder. Unverzichtbar: eine Karte mit den Standorten der vielen Kästen. Neben dem Reinigen werden die Daten zur Belegung erfasst und kleinere Reparaturen an Ort und Stelle erledigt.

 

Nistkastenprojekt in der Gemeinde Berg (Foto: Cordula Marschner)
Nistkastenprojekt in der Gemeinde Berg (Foto: Cordula Marschner)

Gemeinsam aktiv – LBV und Partner schaffen Nisthilfen

 

Ein wichtiger Pfeiler des Nistkasten-Projekts ist überdies die Beratung von Gemeinden, Firmen oder Privatpersonen, die Nistkästen anbringen möchten. So trat zum Beispiel die Gemeinde Wörthsee an den LBV heran und hängte nach Beratung durch Richard Gebendorfer acht Kästen rund um das Rathaus auf. Ein Paradebeispiel für gute Kooperation. Der LBV versteht Naturschutz auch als Überzeugungsarbeit. Langfristig ist nur etwas zu erreichen, wenn die verschiedenen Parteien miteinander reden, zusammenarbeiten und versuchen, gemeinsam Lösungen zu finden, die jeder mittragen kann. Das Erreichte soll gefestigt und verbessert, Neues auf den Weg gebracht werden.

 

Gesagt, getan. So startete im Januar 2022 in der Gemeinde Berg am Starnberger See eine Nistkastenaktion. Privatpersonen, die evangelische Kirche sowie der LBV arbeiteten zusammen und hängten an geeigneten Standorten 20 Kästen auf.

Nistkästen für das Klinikum Starnberg (Foto: Horst Guckelsberger)
Nistkästen für das Klinikum Starnberg (Foto: Horst Guckelsberger)

Von der Zaunkönig-Kugel bis zur Waldkauz-Höhle

 

Im September 2021 stand bereits der Mauersegler im Fokus. Dieses Mal tat sich der LBV mit dem Klinikum Starnberg und der Freiwilligen Feuerwehr zusammen, um neun Nistkästen für den eleganten Flieger in luftiger Höhe am Gebäude anzubringen.  Dazu wurde der Patientengarten des Klinikums mit Nisthilfen versehen. Von der faustgroßen Nistkugel für den Zaunkönig über Kästen für Singvögel wie Meisen, Baumläufer und Stare bis zur 10 Kilogramm schweren Waldkauz-Höhle war alles dabei. Hinzu kamen vier Sommerquartiere für Feldermäuse.

 

Doch auch in den Jahren zuvor war der LBV in der Schaffung von Nistmöglichkeiten aktiv. 2019 etwa wurden bei Unterbrunn und bei der Kiesgrube Oberbrunn spezielle Kästen für den Wendehals, eine bei uns seltene Art aus der Familie der Spechte, aufgehängt. 2015 war die Akademie für politische Bildung in Tutzing mit dem Wunsch an den LBV herangetreten, den zugehörigen Park mit Nisthilfen auszustatten. Durch die reiche Struktur des Geländes konnten unter anderem auch Spezialnistkästen für Baumläufer, Halbhöhlen für Grauschnäpper oder Großkästen für Raufußkauz und Hohltaube angebracht werden.

Naturnaher Garten (Foto: Thomas Staab - LBV - Bildarchiv)
Naturnaher Garten (Foto: Thomas Staab - LBV - Bildarchiv)

Vogelfreundliche Lebensräume – wie Gartenbesitzer helfen können

 

Nicht zuletzt besteht aber auch bei der Gestaltung vieler privater Gärten noch großes Potenzial, wie Richard Gebendorfer erklärt. Mit Mährobotern kurz gehaltenen Rasen bezeichnet der Naturschützer als „grüne Wüste“. Auch Steingärten mit nicht heimischen Sträuchern und Pflanzen, die für Insekten wenig attraktiv sind, seien ein Problem. Wer also an die Anbringung von Nistkästen denkt, sollte parallel dazu die Umgebung in den Fokus nehmen. Gute Bedingungen liegen vor, wenn die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:

  • In Gärten sollten heimischen Pflanzen, Sträucher und Obstbäume das Bild prägen. Dazu ist es wünschenswert, wenn es wilde oder “ungepflegte“ Ecken gibt. Auf den Einsatz von Chemie bzw. Gift ist zu verzichten.
  • In offenen Landschaften ist es wichtig, dass zumindest Baum- und Strauchreihen einen Platz haben.
  • Wälder bestehen im Idealfall aus Mischwald mit jungen und alten Baumbeständen. Gerade hier tut sich, bedingt durch den Klimawandel, bereits eine Menge.
Haussperling beim Sandbaden (Foto: Ursula Wiegand)
Haussperling beim Sandbaden (Foto: Ursula Wiegand)

Wie wichtig das Zusammenspiel aller Faktoren für das Fortbestehen der Arten ist, lässt sich aus der Sicht von Richard Gebendorfer am Beispiel des Haussperlings zeigen. Der Spatz kämpft in Großstädten wie München sogar gegen sein Verschwinden an. Die Gründe liegen auf der Hand. Neue Bauweisen und die Versiegelung von Fassaden lassen immer weniger Hohlräume frei, die der Spatz gerne als Brutplatz nutzt. Nistkästen spielen daher eine zunehmend wichtige Rolle für den Singvogel. Gleichzeitig müssen dichte Sträucher und Hecken als Schutz und Versammlungsplatz vorhanden sein - ebenso Sandflächen zum Sandbaden. Bei der Aufzucht seiner Jungen benötigt der Haussperling zudem Insekten als Nahrung. All das zeigt: Mit dem Aufhängen von Nistkästen ist es nicht getan, die Bedingungen im Lebensraum müssen passen - oder passend gemacht werden.

 

Und dabei kann jede/r mithelfen, der über eine Gartenfläche verfügt. Der LBV gibt dabei gerne Hilfestellung und zeichnet vogelfreundliche Gärten sogar aus.

(Text: Tobias Laure)