Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Bericht über den Vortrag "Ökonomie und Ökologie" von Dr. Rudi Netzsch

12.02.2020

 

Die Ankündigungsplakate gaben bereits eine kurze

Zusammenfassung:

 

 

Umweltzerstörung, Artensterben, Klimawandel – dass da ökonomische Interessen am Werk sind, ist jedem klar. Aber was genau heißt das? Wir wollen an diesem Abend über Fragen reden, wie:

 

  • Sachzwänge – wer oder was zwingt da eigentlich?
  •  Welche Rolle spielt dabei der Staat?
  • Wirtschaftswachstum: woher – wozu – geht es auch ohne?
  • Wie stellt sich das alles im Kontext der Globalisierung dar?

 

 

 

Vorbemerkung 1

Der LBV ist offen für unterschiedliche politische Meinungen, soweit diese mit den Naturschutzzielen vereinbar sind. Zugleich kann Naturschutz nur im Umfeld der Politik und vielfach auch nur gegen bestimmte politische Interessen betrieben werden. Der Vortrag „Ökonomie und Ökologie“ unternahm den Versuch, Gedanken über ökonomische – und damit immer auch politische – Hintergründe der Naturzerstörung zur Diskussion zu stellen. Im Sinne der politischen Offenheit und Neutralität wollte und konnte der Vortrag freilich nicht den Anspruch erheben, eine abgestimmte LBV-Position darzustellen. Es ging darum, zum Nachdenken anzuregen.

 

 

 

Vorbemerkung 2

In der Nachbesprechung zum Vortrag wurde beklagt, dass der Bezug zu den konkreten Problemfeldern der LBV-Tätigkeit nicht immer deutlich genug erkennbar gewesen sei. In diesem Sinn soll im Folgenden erstens in kurzen Thesen die Argumentation des Vortrags zusammengefasst und zweitens in Anmerkungen dazu der aktuelle Bezug – in ein paar Fällen   auch über das im Vortrag Gesagte hinaus – verdeutlicht werden.

 

Der stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse 

 

 

Ob Arbeitnehmer, Unternehmer oder Freiberufler - jeder muss zusehen, wie er das Geld für seinen Lebensunterhalt bekommt. Damit ist er auf den Markt verwiesen und der hält manche Zwänge bereit. Die Zwänge des Markts lassen nicht übermäßig viel individuellen Spielraum offen, und daher greifen psychologische oder moralische Urteile zu kurz. Wir wollen nach Ursachen und Wirkungen dieser sogenannten Sachzwänge fragen; es geht also nicht darum, Schuldige zu finden, sondern um die Erklärung der ökonomischen Zusammenhänge.

 

 

Anmerkung: Ganz in diesem Sinne wehrt sich der LBV seit jeher zu Recht gegen den Vorwurf, er wolle die Bauern als Umweltsünder an den Pranger stellen. Vielmehr geht es darum, Rahmenbedingungen zu fordern, die eine umweltverträgliche Form der Landwirtschaft allgemein ermöglichen. Dabei ist die Landwirtschaft gewiss nicht das einzige Feld, auf dem ökonomische Zwänge zu für die Allgemeinheit schädlichem Folgen führen. Leben wir also in einer Gesellschaft, in der Verheerendes geschieht, aber niemand etwas dafürkann?

 

 

Der Markt

 

In der Volkswirtschaftslehre wird gern mit dem Bild der „unsichtbaren Hand“ suggeriert, dass das eigennützige Handeln der Wirtschaftssubjekte insgesamt zum allgemeinen Wohl führe. Aber sprechen die tatsächlichen Resultate - nicht nur in Gestalt der Umweltschäden, sondern auch in Form der sich ständig erweiternden Schere von arm und reich - nicht eine andere Sprache?

 

 

Anmerkung: Zweifellos sind Bioprodukte gut, sowohl für die Umwelt wie für das Wohlergehen derer, die sie konsumieren. Allerdings sind sie auch deutlich teurer. Wer von Hartz-4 lebt oder auf Tafeln angewiesen ist – um nur die Spitze des Eisbergs zu nennen – stößt neben der Belastung durch Miete und Fahrkosten schnell an seine finanziellen Grenzen. Naturzerstörung einerseits und Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne andererseits haben beide dieselbe Ursache: Kostensenkung, um die Gewinne zu steigern. Dieselben Gründe, die zu den Übeln der konventionellen Landwirtschaft führen und es geboten erscheinen lassen, die Biobauern durch Kauf ihrer Produkte zu fördern, sind also zugleich Gründe, weshalb man nicht hoffen kann, damit in allgemeinem Maßstab die Misere zu überwinden.   

  

 

Die Rolle des Staats

 

Die Marktwirtschaft ist ohne staatliche Regulierung nicht möglich. Deshalb steht der Staat über den einzelnen Bürgern. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Staat von der Wirtschaft als der materiellen Grundlage seiner Macht abhängig ist und es daher illusorisch wäre, von ihm anderes zu erwarten, als was der nationalen Wirtschaft förderlich wäre. Wo im Bereich des Sozialen und der Umwelt wirtschaftliche Interessen die allgemeinen Grundlagen der Produktion (hinsichtlich Natur und menschlicher Arbeitsfähigkeit) untergraben, wird er tätig, doch stets höchstens so weit, als damit die die Priorität der Wirtschaft nicht in Frage gestellt wird.

 

 

Anmerkung: Für den Staat gilt es also abzuwägen zwischen dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und der menschlichen Gesundheit einerseits und den Profitinteressen der Wirtschaft andererseits. Bei so etwas kann es keine objektive Antwort geben; es ist vielmehr Gegenstand ständiger politischer Auseinandersetzungen. Jedes Ergebnis ist nur der Ausgangspunkt neuen Streits. So ist es nach dem Erfolg des Volksbegehrens „Artenvielfalt“ alles andere als überraschend, dass wir nun aufpassen müssen, dass nicht die Umsetzung des Volksbegehrens Schritt für Schritt zu deren Rücknahme verfälscht wird (siehe in diesem Kontext die Sache mit den Streuobstwiesen).    

 

 

Internationale Ebene

 

Bei sich zuhause kann der Staat Gesetze erlassen, die die Umweltzerstörung zwar nicht verhindern, aber auf ein von ihm für hinnehmbar erklärtes Maß beschränken sollen. Er kann dann auch die Einhaltung kontrollieren und Zuwiderhandlungen sanktionieren. Auf internationaler Ebene funktioniert das nicht. Zwar gibt es laufend internationale Verhandlungen und Vereinbarungen, wie insbesondere das Pariser Klimaabkommen, aber wieweit sich die Staaten daran halten, bleibt letztlich ihnen selbst überlassen; daher sind sie ziemlich wirkungslos.

 

 

Anmerkung: Die Staaten stehen untereinander in Konkurrenz um Rohstoffe, Absatzmärkte und Investitionsmöglichkeiten. Jeder will sein Land als möglichst profitablen Wirtschaftsstandort herrichten. Das potenziert den Druck gegen Umweltstandards, da diese dabei allemal hinderlich sind. Exemplarisch ist hier die Subventionspolitik für die Landwirtschaft. Partielle Agreements gehören zur Konkurrenz: Vereinbarungen wie CETA, TTIP und Mercosur sollen die Stellung der beteiligten Staaten gegen den Rest der Welt stärken; keine Frage, dass Umweltbelange dabei regelmäßig auf der Strecke bleiben.

 

 

Wirtschaftswachstum

 

Wachstum gehört untrennbar zur Marktwirtschaft: um sich in der Konkurrenz zu behaupten, strebt jeder Unternehmer danach, seinen Betrieb zu erweitern; insgesamt führt das zu gesamtwirtschaftlichem Wachstum. Dieses ist zugleich für jeden Staat vorrangiges Ziel, um in der internationalen Standort-Konkurrenz zu bestehen. Aber ist unbeschränktes Wachstum überhaupt sinnvoll und möglich? Die Grenzen sind bereits drastisch erkennbar, z.B. in puncto Klimawandel, Flächenfraß und Artensterben.

 

 

Anmerkung: Wirtschaftswachstum ist ohne Wachstum des Energieverbrauchs nicht möglich. Auch die erneuerbaren Energiequellen können nicht unbegrenzt erweitert werden, da sie stets mit Flächenverbrauch verbunden sind.    

  

 

„Der Vorhang zu und alle Fragen offen“ (Bert Brecht)

 

(Text: Dr. Rudi Netzsch)