Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Das Braunkehlchen (Saxicola rubetra)

"Wiesenschmätzer" (Foto: Gerhard Huber)
"Wiesenschmätzer" (Foto: Gerhard Huber)

An einem Weg durch den Kreuzlinger Forst steht eine in die Jahre gekommene Schautafel, welche "Einheimische Singvögel" abbildet. Auch wenn dort nur einige wenige - und wohl eher häufige - Arten abgebildet wurden, dürfte sie auch bei eingefleischten Vogelkennern ein nachdenkliches Stirnrunzeln zur Folge haben: Den "Wiesenschmätzer" hat man noch nie gehört. Und der soll einheimisch und sogar häufig sein? Immerhin, die anderen Arten kennt man irgendwie. Auch wenn die Tafel - man ahnt es angesichts der verblichenen Farben - nicht mehr ganz aus diesem Jahrhundert stammen dürfte, so liegt hier kein Fehler vor. Die  handgezeichnete Abbildung passt zu einem Vogel, den wir heute "Braunkehlchen" (Saxicola rubetra) nennen. Vielleicht war dieser Vogel früher als "Wiesenschmätzer" bekannt? Dazu passt die englische Bezeichnung "Whinchat" (whin=Ginster, chat=plaudern, schwatzen) ja ganz gut. Und das Braunkehlchen lebt passenderweise auf blütenreichen Wiesen, wo es sich akrobatisch an den dünnen Stängeln der Blumen und Stauden festklammert, um von dort aus Jagd auf am Boden kriechende Insekten zu machen. Sein Nest baut es ebenfalls direkt in der Wiese auf dem Boden. Ein sympatischer, schöner kleiner Singvogel, der "die Wiese" als Lebensraum hat, sollte darüber hinaus nicht allzu selten sein! Schließlich gibt es Wiesen doch an jeder Ecke, in beliebiger Art, Form und Größe! Oder?

Braunkehlchen (Foto: Antje Geigenberger)
Braunkehlchen (Foto: Antje Geigenberger)

Nein. Zumindest nicht die Wiesen, die es noch waren, als das Bild des kleinen Vogels noch in prächtigen Farben um Aufmerksamkeit warb. Zu viel gemäht, zu stark gedüngt, zu wenig Blüten und Insekten - zu artenarm. So kommen die Wiesen heute daher; und allzu oft bereits aufgegeben zugunsten einer intensiveren, proifitableren Bewirtschaftung. Sei es für den Anbau von Mais oder anderem Getreide. Wo Insektizide, Pestizide und Fungizide gespritzt werden, ist der Esstisch für Insektenfresser leergeräumt. Oder steht da bereits ein neues Gewerbegebiet? War ja nur eine Wiese.

Der "Wiesenschmätzer" ist tatsächlich das Braunkehlchen. Heute dürfte er nicht mehr auf die Tafel, zu gering die Wahrscheinlichkeit, dass ihn jemand zu Gesicht bekommt. In Bayern offiziell "vom Aussterben bedroht". Und man kann die Bestandsangaben gar nicht so schnell anpassen, wie die Bestände schwinden. Es ist ein Vogel, dem man gerade "vor unserer Haustür" beim Aussterben zuschauen kann. Eine eigens ins Leben gerufene, internationale Arbeitsgruppe (https://whinchat.jimdofree.com/), stellt im Wesentlichen den europaweiten Niedergang der Art fest. Und das für einen Vogel, der einfach nur naturnahe Wiesen braucht?

Braunkehlchen im Ampermoos (Foto: Sebastian Zysk)
Braunkehlchen im Ampermoos (Foto: Sebastian Zysk)

Die genauen Gründe sind wahrscheinlch komplex und vielfältig. Ebenso vielfältig und manchmal schon verzweifelt sind die Versuche der Artenschützer, zu verstehen was fehlt, und zu helfen. So haben Ehrenamtliche des LBV Starnberg auf mehreren Flächen im Landkreis weit über tausend dünne Stöcke als Ansitze für das Braunkehlchen ausgebracht. Um zu ersetzen was fehlt, und die Flächen wieder attraktiv für Jagd und Brut zu machen. Leider ohne Erfolg. Klimawandel, Insektensterben, Lebensraumverlust - von zu vielen Seiten gerät der Vogel unter Druck. Im Moment sieht es danach aus, als ereilte das Braunkehlchen das selbe Schicksal wie viele Acker- und Wiesenvögel, etwa das des Rebhuhns: einst fester Bestandteil unserer Kulturlandschaft, heute praktisch ausgestorben. Im Landkreis gibt es gerade noch eine Stelle mit regelmäßigen Braunkehlchen-Brutvorkommen (Naturschutzgebiet Ampermoos), die Bestände sind jedoch winzig und schwinden.

Das Braunkehlchen ist ein Kulturgut, ebenso wie die Wiese auf der es lebt, ebenso wie der Monet, der die Schönheit der Wiese für uns konserviert hat. Wer würde zulassen, dass die Monets dieser Welt verschwinden? Ob der "Wiesenschmätzer" von der Lehrtafel für immer ins Geschichtsbuch verschwindet, ist noch nicht ausgemacht. Aber viel Zeit bleibt ihm - bleibt uns - nicht mehr.

(Text: Gerhard Huber)

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