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Der Revieralgorithmus

Wie kommt man von den in ornito.de gespeicherten Einzelbeobachtungen zu Revieren?

Neuntöterpaar (Foto: Antje Geigenberger)
Neuntöterpaar (Foto: Antje Geigenberger)

Im ornitho.de werden hauptsächlich Zufallsbeobachtungen dokumentiert. Damit sind quantitative Aussagen über Bestandszahlen im Allgemeinen nicht möglich. Durch die Fülle und Qualität der Beobachtungen im Landkreis Starnberg sind jedoch qualitative Aussagen über den Status (Brutvogel, Wintergast, Durchzügler, etc.) und in Teilbereichen auch quantitative Aussagen möglich. Die quantitativen Ausgen werden über den sog. Revieralgorithmus ermöglicht.

 

Der Revieralgorithmus fasst Einzelmeldungen einer Vogelart nach bestimmten Regeln zu Revieren zusammen. Die Einzelmeldungen können durchaus von unterschiedlichen Meldern im selben Jahr stammen. Berücksichtigt werden ausschließlich Meldungen mit den Brutzeitcodes B (wahrscheinliches Brüten) und C (sicheres Brüten).

Beobachtungen des Schwarzkehlchens im Jahr 2020 (jeder Punkt = eine Beobachtung in der Brutzeit)
Beobachtungen des Schwarzkehlchens im Jahr 2020 (jeder Punkt = eine Beobachtung in der Brutzeit)

Die zentrale Regel des Algorithmus gibt vor, dass zwei Beobachtungen nur dann demselben Revier zugeordnet werden, wenn ihr gegenseitiger Abstand nicht zu groß ist. Hier wird also für jede Art eine spezifische, maximale Reviergröße definiert. Ist der räumliche Abstand zweier Meldungen größer als diese obere Grenze, werden zwei unterschiedliche Reviere ausgewiesen.

Anhand dieser Regel wird klar, warum die räumlich exakte Lokalisierung der Meldungen essenziell ist: Ist die Ortsangabe zu ungenau, kann der Algorithmus den Abstand der Meldungen nicht genau bewerten, und die Meldungen müssen ignoriert werden. Falls zwei Meldungen am selben Tag und von demselben Beobachter gemacht worden sind, werden in jedem Fall zwei unterschiedliche Reviere ausgewiesen, selbst wenn ihr Abstand unter der oben beschriebenen Reviergrenze liegt. Es wird in diesem Fall davon ausgegangen, dass tatsächlich zwei unterschiedliche Individuen beobachtet wurden. Das ist durchaus plausibel; hätte es sich in der Einschätzung des Beobachters nicht um zwei verschiedene Individuen gehandelt (z.B. zwei singende Männchen im Abstand von 100m am selben Tag), hätte er sie wohl kaum zwei Mal gemeldet.

Beobachtungen des Schwarzkehlchens zusammengefasst zu Revieren
Beobachtungen des Schwarzkehlchens zusammengefasst zu Revieren

Das bisher Gesagte bezog sich ausschließlich auf Meldungen mit Brutzeitcodes B und C. Eine Erweiterung des Algorithmus schließt eine Lücke in der Auswertung, die bei "händischer" Arbeit oft besteht. Ein revieranzeigendes (meist singendes) Männchen trägt gemeinhin den Brutzeitcode A2 (also kein B- oder C-Nachweis). Diese Art von Meldung ist zur Brutzeit verständlicherweise sehr häufig auf ornitho.de, lässt nach allen Regeln der Kunst jedoch keinen Schluss auf ein besetztes Revier zu. In Kombination mit einer zweiten Beobachtung eines revieranzeigenden Männchen am selben Ort und im Abstand von mindestens einer Woche wird daraus jedoch ein Brutverdacht, also eine Meldung mit Brutzeitcode B4.

 

Geübte Feldornithologen mit gutem Gedächtnis geben bei passender Wieder­beobachtung - d.h. selber Ort, Abstand größer eine Woche - oft den richtigen Brutzeitcode B4 ein. Die Information, dass am selben Ort bereits früher ein revieranzeigendes Männchen beobachtet wurde, geht jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit unter, wenn es sich um einen anderen Melder handelte. Das kann dem Algorithmus nicht passieren. Er durchforstet alle A2-Beobachtungen und fasst sie - unter den beschriebenen Voraussetzungen - zu B4-Meldungen zusammen. Dadurch tragen viele wertvolle Einzel­meldungen, die jede für sich nicht signifikant genug für einen Brutverdacht sind und daher unberücksichtigt bleiben würden, zum Gesamtergebnis bei. Das markiert einen echten Mehrwert des Algorithmus, da solch kollektive, aufwändige Auswertungen über viele Melder hinweg meist nicht durchgeführt werden.

Die Regeln des Revieralgorithmus sind mit Sicherheit diskutabel und nicht perfekt. Andererseits ist gerade die Einfachheit und damit Nachvollziehbarkeit der Regeln ein Pluspunkt. Natürlich gibt es auch andere Grenzen der Einsetzbarkeit des Algorithmus. Er funktioniert zum Beispiel nicht bei Koloniebrütern. Vergleiche mit manuellen Auswertungen bei Gebietskartierungen zeigen jedoch, dass die erzielten Ergebnisse mit menschlicher Auswertung konkurrieren können. Letztere ist eben auch nicht immer eindeutig, und verschiedene Auswerter erzielen meist unterschiedliche Ergebnisse (d.h. Revierzahlen). Das Ergebnis des Algorithmus findet sich fast immer innerhalb dieser Schwankungsbreite. Der große Vorteil des Algorithmus besteht jedoch in seiner Objektivität und Reproduzierbarkeit.

 

Im ornithologischen Jahresbericht der ASO werden die Ergebnisse des Revieralgorithmus vor allem bei mittelhäufigen Arten angegeben, wir erhalten dadurch eine untere Abschätzung des Bestands der entsprechenden Art. Damit ist es auch möglich, die Revierdaten für die ASK-relevanten Arten besser einzugrenzen. ASK ist die amtliche bayerische Artenschutzkartierung. Die ASK – Datenbank des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) hat für die amtliche Naturschutz­verwaltung eine sehr wichtige Funktion. Bei Planungen sind die Behörden verpflichtet, die in der ASK-Datenbank eingetragenen Vorkommen seltener Arten zu berück­sichtigen. Die Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen (ASO) ist deshalb in Absprache mit dem LfU in einem arbeitsintensiven Prozess dabei, bei bestimmten ASK-relevanten Vogelarten die Beobachtungen in die ASK-Datenbank zu übertragen.

Entwicklung der Beobachtungs-zahlen im Landkreis Starnberg

Qualität der Beobachtungen

Starnberger Vogelatlas