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Vom Erkennen zur Erkenntnis

Beim Orni-Stammtisch in Drößling stand dieses Mal die Plattform ornitho.de im Mittelpunkt des Interesses. Gerhard Huber referierte über das Thema „Vom Erkennen zur Erkenntnis – warum das Sammeln von Vogelbeobachtungsdaten so wichtig ist“ und begeisterte ca. 30 Ornis mit seinen Ausführungen zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Auswertung der ornitho-Daten.

 

Ornithologen sind Jäger und Sammler, die heute mit modernen Methoden arbeiten. Die Zeit der ornithologischen Tagebücher, die in irgendwelchen Regalen liegen und nur vom Autor selbst benutzt werden können, ist vorbei. Heute werden ornithologische Daten in Online-Datenbanken abgelegt und stehen einer Vielzahl von Interessierten zur Verfügung. Ornitho wird seit gut 10 Jahren betrieben und umfasst heute in Deutschland ca. 100 Millionen Datensätze.

 

 

 

Im Landkreis Starnberg werden inzwischen pro Jahr ca. 40.000 Datensätze angelegt. Über 300 Vogelbeobachter melden ihre Daten aus Starnberg im ornitho.de. Allerdings werden knapp 60 % der Daten von den 12 "meldestärksten" Beobachtern registriert.

 

 

Die Daten in Starnberg werden für die unterschiedlichsten Zwecke verwendet (Grundlage für Kartierungen und Artenschutzmaßnahmen bzw. fachlicher Input für Behörden und Planungsbüros oder für wissenschaftliche Arbeiten). Über die Website des LBV Starnberg sind sehr unterschiedliche Auswertungen und Dokumentationen der ornitho-Daten verfügbar, so z.B. der Starnberger Vogelatlas, der Singvogelkalender oder die regelmäßig erscheinenden Monats- und Jahresberichte.

Ein Schwerpunkt des Vortrags waren die Ausführungen  zu den Zufallsbeobachtungen. Dabei präsentierte der Referent ein Modell zur Vogelbeobachtung mit den 4 Schritten: Begehen / Wahrnehmen / Identifizieren / Melden. Für jeden dieser 4 Schritte gibt es unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten, die u.a. vom Gebiet, der Person, der Jahreszeit und der Art abhängen. Begehen: in welchem Gebiet wird überhaupt beobachtet? Wahrnehmen: Kann der Beobachter das Wintergoldhähnchen überhaupt hören? Identifizieren: War es wirklich ein Pirol oder „nur“ ein imitierender Star. Melden: Eine Prachttaucherbeobachtung wird vermutlich immer gemeldet, eine Rauchschwalbe eher nur am Beginn der Saison.

Bei Programmen wie dem Monitoring häufiger Brutvögel mit einem normierten Vorgehen oder bei der Erstellung vollständiger Beobachtungslisten können einige dieser Zufallsfaktoren ausgeschaltet werden – die Daten werden dadurch besser.

Wie aussagekräftig sind dann überhaupt die Auswertungen bei soviel Zufall? Diese Auswertungen müssen „intelligenter“ und  „robuster“ sein. Gerhard präsentierte einige Metriken wie „Ganzjährigkeit“ und „Regelmäßigkeit“, die diesen Kriterien genügen und bei denen die zufälligen Einflußfaktoren annähernd konstant sind bzw, sich rausmitteln. Hier gibt es noch viele Möglichkeiten der Darstellung und Auswertung, die unter Umständen in den nächsten Jahren in die Arbeiten der ASO einfließen werden.

 

Im dritten Teil des Vortrags präsentierte Gerhard ein konkretes Anwendungsbeispiel, dieses Mal mit 4,7 Millionen ornitho-Daten aus ganz Deutschland. Im Rahmen einer Seminararbeit an einem Gymnasium wurde mit Hilfe dieser Daten der Zusammenhang von Klimawandel und Brutzeitbeginn untersucht. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden bereits auf der Website des LBV STA veröffentlicht.

 

 

Abschließend erläuterte Gerhard den von ihm entwickelten  Revieralgorithmus, der bei der ASO bei bestimmten Vogelarten zur Ermittlung von Revieren verwendet wird. Eine Einführung in den Revieralgorithmus findet man hier.

 

Kreise: menschliche Testauswerter; Kreuze: Revieralgorithmus
Kreise: menschliche Testauswerter; Kreuze: Revieralgorithmus

Sehr interessant waren die Ausführungen zur Validierung des Revieralgorithmus. Dazu wurden 6 erfahrene Kartierer der ASO gebeten, bei 10 Testarten (u.a. Schwarzspecht, Baumpieper, Teichrohrsänger, Rotmilan) anhand der in ornitho für den Landkreis STA zur Verfügung stehenden Beobachtungsdaten des Jahres 2020 die Anzahl der Reviere zu bestimmen. Dazu erhielt jeder Kartierer pro Art eine zoombare Karte mit den Beobachtungsdaten. Erwartungsgemäß fielen die Ergebnisse bei den unterschiedlichen Kartierern recht unterschiedlich aus, d.h. auch bei erfahrenen Kartieren treten je nach Art erhebliche Unterschiede bei der Ermittlung der Revieranzahl auf. Es gibt damit wohl keine "richtige" Zahl – die von den Kartieren gefundenen Zahlen sind von vielen Faktoren abhängig. Und wie sieht das Ergebnis beim Revieralgorithmus aus? Ein Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass der Unsicherheitsbereich des Revieralgorithmus im Rahmen der menschlichen Streuung liegt, d.h. der Algorithmus ist genau so gut wie die menschlichen Auswerter. Und der Algorithmus ist objektiv, exakt und reproduzierbar, er wird nicht müde und er nutzt alle vorhandenen Daten. Die menschlichen Auswerter neigen dagegen manchmal zum „Augenmaß“. Wir werden deshalb den Revieralgorithmus bei weiteren Kartierungsarbeiten der ASO verwenden.

Am Ende des Vortrags rief Gerhard noch zur verstärkten Nutzung von ornitho.de auf.

  • Jede Beobachtung, auch von häufigen Arten, ist wertvoll!
  • Vollständige Beobachtungslisten sind wichtig!
  • Je mehr Detailangaben, desto besser (Brutzeitcode, Anzahl, Geschlecht, Zugrichtung, Alter, etc,)!
  • Möglichst exakte Lokalisierung verwenden (mit der App Naturalist geht das ganz einfach).

 

Ein toller Vortrag, großer Applaus und eine intensive Diskussion über diverse Detailaspekte des Vortrags. Herzlichen Dank an Gerhard, der vielen Ornis die Anwendungsmöglichkeiten  von ornitho näherbrachte.

 

(Text: Pit Brützel; Grafiken: Gerhard Huber)