Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Espen und Glasflügler

Espen kennt sicher jeder, vielleicht auch unter den Namen Aspe, Zitterpappel oder Populus tremula. Als lichtliebende Pionierbaumart besiedelt sie gern Brachflächen, Weg- und Waldränder. Früher profitierte die Espe auch von Nieder- und Mittelwald-Bewirtschaftung. Heute werden aufkommende Espen viel zu oft achtlos entfernt. Zwischen bewirtschaftetem Offenland und Forst bleibt selten genügend Raum für gestufte, artenreiche Waldsäume. Stattdessen prägen abrupte Übergänge unsere Landschaft. In der Folge finden sich Arten lichter Waldstrukturen überproportional oft als gefährdet  in den Roten Listen wieder. Insbesondere Espen sind die Lebensgrundlage sehr vieler Tag- und Nachtfalter, darunter einige unserer größten und schönsten: Großer Eisvogel, Kleiner Schillerfalter, Gabelschwänze, verschiedene Ordensbänder ...

Die drei an Espe lebenden Glasflügler (von links): Bremsenschwärmer, Espen-Glasflügler, Hornissenschwärmer (Fotos: K. Gottschaldt, F. Rämisch, B. Morawietz)
Die drei an Espe lebenden Glasflügler (von links): Bremsenschwärmer, Espen-Glasflügler, Hornissenschwärmer (Fotos: K. Gottschaldt, F. Rämisch, B. Morawietz)

Mindestens genauso interessant ist aber ein hochspezialisierter Schmetterling, der nicht als solcher erkannt werden möchte – der Espen-Glasflügler. Dieser wurde 2018 erstmals im bayerischen Alpenvorland entdeckt, im Espenhain auf unseren Zeitlerwiesen. Die Familie der Glasflügler ist in Bayern mit ca. 30 Arten vertreten, die allesamt wehrhafte Wespen nachahmen. Sie sind tagaktiv und mit den Holzbohrern (z.B. Weidenbohrer) verwandt. Neben dem Espen-Glasflügler (Eusphecia melanocephala) wurden auf den Zeitlerwiesen auch die beiden anderen an Espe lebenden Arten nachgewiesen:  der erst vor kurzen im Alpenvorland wiedergefundene Bremsenschwärmer (Paranthrene tabaniformis) und der häufiger beobachtete Hornissenschwärmer (Sesia apiformis). Letzterer brummt beim Fliegen sogar wie eine Hornisse, ist aber vollkommen harmlos.

Befallsspuren des Espen-Glasflüglers: Abgesägter Ast mit Gang und altem Schlupfloch / Raupe / vorbereitetes Schlupfloch. (Fotos: K. Gottschaldt)
Befallsspuren des Espen-Glasflüglers: Abgesägter Ast mit Gang und altem Schlupfloch / Raupe / vorbereitetes Schlupfloch. (Fotos: K. Gottschaldt)

Viele dieser Arten lassen sich gut beobachten, indem man die Männchen mit künstlichen, den Duftstoffen der Weibchen nachempfundenen, Pheromonen anlockt. Für den Espen-Glasflügler ist bisher allerdings kein solcher Lockstoff bekannt und am einfachsten lässt sich die Art als Raupe nachweisen. Diese lebt ausschließlich im Kallusgewebe, welches die Espe an Verletzungsstellen oder als Wulst um abgestorbene Äste bildet. Während ihrer 3- bis 4-jährigen Entwicklungszeit frisst die Raupe bis zu 5 cm tiefe Gänge ins Holz. Da sie dabei weder Bohrmehl noch Kot auswirft, ist der Befall von außen unsichtbar.

 

Nun bevorzugt die Raupe für die Verpuppung aber den abgestorbenen Ast im Zentrum der Kalluswulst. Schon in ihren ersten Lebensjahren beginnt sie, dort einen Gang hineinzubohren. Zur Verpuppung hat der Gang einen Durchmesser von etwa 6 mm und reicht bis zu 10 cm in den trockenen Ast hinein. Der Gang mündet an einem von außen unsichtbaren Deckel, den die Puppe vor dem Schlupf von innen aufstoßen kann. An befallenen Espen sind zum einen alte Schlupflöcher sichtbar, zum anderen lassen sich durch Abbrechen oder Absägen der trockenen Äste alte und frische Gänge finden. Dann lohnt sich eine genauere Nachsuche. Irgendwann, im zehnten oder hundertsten Ast, ist eine erwachsene Raupe oder Puppe im Gang, aus der sich dann der Falter züchten lässt. 

Espenwurf auf den Zeitlerwiesen, Zustand kurz vor der Fällung am 11.11.2020 (Foto: H. Guckelsberger)
Espenwurf auf den Zeitlerwiesen, Zustand kurz vor der Fällung am 11.11.2020 (Foto: H. Guckelsberger)

 

Im Winter 2020 kam die Katastrophe für die Population des Espen-Glasflüglers auf den Zeitlerwiesen: Ein Sturm entwurzelte einige der dickeren, etwa 50 Jahre alten Espen und diese drückten auf die anderen Bäume. Der gesamte Bestand galt als instabil und stellte eine Gefährdung für die angrenzenden Wege dar. Deshalb blieb uns aufgrund der Verkehrssicherungspflicht keine andere Wahl, als den Espenbestand fällen zu lassen.

 

Dank der guten Zusammenarbeit mit Landwirt Winterholler, der die Fällungen übernommen hatte, bekamen wir eine vage Chance zur Rettung einiger Glasflügler. Die zum Häckseln vorgesehenen Stämme wurden nicht gleich abtransportiert. Zwei unserer Schmetterlingsexperten nahmen sich einen Tag Zeit, alle Stämme zu wälzen und nach Spuren lebender Raupen zu suchen.

Unser Kreisgruppenvorsitzender Stefan Schilling beim Heraussägen von Stammstücken, die evtl. Raupen des Espen-Glasflüglers enthalten. (Foto: K. Gottschaldt)
Unser Kreisgruppenvorsitzender Stefan Schilling beim Heraussägen von Stammstücken, die evtl. Raupen des Espen-Glasflüglers enthalten. (Foto: K. Gottschaldt)

 

In 13 von 80 Stammstücken konnten teils mehrere verdächtige Stellen gefunden und markiert werden. Tags darauf wurden die markierten Stücke herausgesägt und sichergestellt. Im Frühjahr wird sich zeigen, ob Espen-Glasflügler darin überleben konnten und an anderen Espen ausgesetzt werden können.

 

Mittlerweile wurden zwei weitere Vorkommen der Art im Alpenvorland entdeckt (Stand Februar 2021). Das macht Hoffnung, dass die vermeintliche Seltenheit wenigstens zum Teil nur auf Nachweislücken beruht und E. melanocephala auch ohne die Espen der Zeitlerwiesen unserer lokalen Fauna weiterhin erhalten bleibt. Den Espenbestand auf den Zeitlerwiesen lassen wir wieder aufwachsen. Zunächst werden davon andere Arten profitieren: Die, die junge Espenbüsche bevorzugen und denen die gestuften Waldsäume fehlen.

 

(Text: Klaus Gottschaldt)

 

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