Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Pionierübungsgelände – was ist CEF und E&A ?

16.10.2024

Kiesschneise mit gebuchtetem Waldrand
Kiesschneise mit gebuchtetem Waldrand

Obwohl der LBV Starnberg seit Öffnung des ehemaligen Militärgeländes – also seit fast 30 Jahren – die Land­schafts­pflege übernommen und Ortskenntnis gesammelt hat, steht er doch auch einmal vor neuen Heraus­forderungen. Haben wir bisher vorwiegend gemäht und ab­geheut, Buschwerk und zuweilen Bäume entfernt, um die wertvollen Trockenrasen offen zu halten, kam 2024 eine neue Aufgabe hinzu: Eine Mähgutübertragung und eine Umsiedlung von Amphibien und Reptilien.

 

Bei der Mähgutübertragung wurden wertvolle Wiesenflächen wie die „Schlehenwiese“ und die „Ehemalige Schießbahn“ schon bei beginnender Samen­reife, also früher als gewöhnlich, gemäht und das Mähgut sofort, also noch mit den Samen, auf neu geschaffene offene Flächen verteilt. Diese offenen Flächen waren zuvor mit Samenmaterial eines renommierten Spezialisten für regio­nales Saatgut eingesät worden. Dieses wurde nun ergänzt um die Samen der aut­och­tho­nen, also vor Ort vorkom­men­den Vegetation.

 

Dazu musste der Zeitpunkt der Mahd (es gab zwei Termine zu unter­schied­lichen Zeiten, also für Früh- und Spätblüher) möglichst genau nach dem Reifegrad abgestimmt werden – die Termin­planungen für Mahd, Abheuen und die sofort anschließen­den Transfers waren also eine Heraus­forderung für Günther Paschek, der die freiwilligen Helfer termin­gerecht unter der Woche zusammentrommeln musste - und es hat hervorragend ge­klappt.

Offenland-Kies-Mischfläche mit Totholz und Laichgewässer und Solitäreiche
Offenland-Kies-Mischfläche mit Totholz und Laichgewässer und Solitäreiche

 

Die Umsiedlung von Amphibien und Reptilien entwickelte sich hingegen zu einer Dauer­aufgabe. Bei der Baustellenvorbereitung des EOS Parkplatz, dem einstigen Sportgelände hatten sich nach dem Kiesauftrag Reptilien – u. a. Zauneidechse, Schlingnatter, in dauerhaften Pfützen auch Am­phi­bien – v. a. Wechsel­kröte und Laubfrosch angesiedelt. Um diese Population noch recht­zeitig vor der Bebauung des Geländes zu retten, wurden zahlreiche Laich­schnüre, Kaulquappen, Hüpfer­linge und adulte Tiere in neu angelegte Laich­gewässer auf die westlich gelegenen sog. Brücken­grube getragen. Dort waren mehrere „Eidechsenburgen“ und sechs Laichgewässer im Rahmen einer „E&A-Maß­nahme“ der  Auto­bahn GmbH des Bundes angelegt worden. Dieser (genehmigte!) Transfer be­gann 2018, intensiv 2023. Be­sonderer Dank gebührt dem LBV-Amphibienteam mit Stephan Rauscher, Richard Geben­dorfer, Günther Paschek und Franz Pommer für diese wochenlange Ge­dulds­arbeit.

„Eidechsenburg“ – Unterschlupf und Winterquartier für Amphibien und Reptilien
„Eidechsenburg“ – Unterschlupf und Winterquartier für Amphibien und Reptilien

Doch wozu waren diese Rettungsmaßnahmen nötig? CEF !

Hintergrund ist, dass es einen Antrag auf Bebauung des ehemaligen Sportplatzes – er ist Teil des Gewerbege­biets KIM – gab. Hohe Gebäude hätten beispielsweise die nahen wertvollen Magerrasen beschat­tet, die oben genannten Amphi­bien und Reptilien wären vernichtet worden. Diese vorher­seh­baren Schäden an der Natur – sie treten ja erst mit und nach der Bebauung auf – müssen jedoch schon im Vorhinein „ausgeglichen“ werden.

 

Dies ist der Kern­ge­danke der sog. CEF-Maß­nahmen nach § 44 BNatSchG. Mit CEF – contiual ecological functionality-measueres – soll der Fortbestand der Arten und Lebensräume ortsnah, also die öko­logische Kontinui­tät ohne zeitliche Lücke mit unmittel­ba­rem räum­lichen Bezug  gesichert werden.

 

Man kann dies als eine vorgezo­ge­ne und ortsnahe öko­lo­gi­sche

Aus­gleichs­maßnahme ansehen.

Laichgewässer mit Totholz
Laichgewässer mit Totholz

 

Als Ausgleich, geplant vom Büro Ohnes&Schwahn, wurde von einem Forst­betrieb durch den Wald eine unterschiedlich breite, geschwungene Schneise vom EOS-Parkplatz nach Norden geschlagen, wo sie sich zu einem Offenland ausweitet. Um den charakteristischen Magerrasen auch hier zu eta­blie­ren, wurde 2023 teilweise Oberboden abgeschoben, mit lokalem Kies überdeckt und so  Le­bens­raum u. a. für Blauflügeligern Ödland­schrecke und Wechselkröte geschaffen. Ein buchten­reicher und ge­stuf­ter Waldrand ist der Lebensraum des Wald-Wie­sen­vögel­chens, eines „stark ge­fährdeten“ Tagfalters.

 

Zugleich wurden auch hier Eidechsen­burgen, Laich­ge­wässer, Sand­berge und Totholz­haufen eingebaut. So finden – bereits nachgewiesen! - auch hier u. a. Laub­frosch, Bergmolch, Schlingnatter und Zaun­eidechse neuen Lebensraum – auch dies Arten, um die wir uns seit vielen Jahren besonders be­mühen. 

Totholz, Sandhaufen (u. a. Wildbienen) und Eidechsenburg
Totholz, Sandhaufen (u. a. Wildbienen) und Eidechsenburg

Und was sind nun Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen E&A?

 

Als die Gemeinde Krailling Mitte der 1990er Jahre den Ostteil des ehemaligen Pionierübungs­gelände für das Gewerbegebiet KIM plante, musste sie sich verpflichten, die „in Anspruch genommene Natur“ zu ersetzen bzw. auszugleichen. In diese „Ersatz- und Ausgleichs­maß­nahme“ – kurz „E&A“ -  gingen ca. zwölf Teilflächen im westlich des KIM gelegenen, in Eigentum der Gemeinde befindlichen Teil des Pionierübungsgeländes ein. Dabei wurden konkrete Pflichten zu Erhalt und Pflege festgeschrieben. Diese Flächen, aber auch weitere Flächen dort und westlich des Fahrradweges sind seitdem ein Hauptarbeitsgebiet des LBV Starnberg. Sehr erfreulich ist für uns die enge und konstruktive Zusam­menarbeit mit der Gemeinde, der höheren Naturschutzbehörde und dem Bundesforst.

Im Gegensatz zu den CEF-Maßnahmen müssen  E&A-Maßnahmen nicht schon vor der „Inanspruchnahme“ der Natur und auch nicht in unmittel­barer Nähe erfolgen. Hier liegen sie jedoch nahe dem KIM – auch zum Glück für KraillingStand 10/2024

 

Fotos und Text: Horst Guckelsberger