Viele Pflanzen verstecken sich im Winter in der Erde: als Knollen, Zwiebeln oder Wurzelstöcke sind sie im Boden geschützt und treiben im Frühling wieder aus. Bäume und Sträucher haben diese
Möglichkeit nicht. Wie widerstehen sie der Winterkälte? Um es vorwegzunehmen: sie setzen auf Frostschutzmittel. Da kommt als erstes Zucker in Frage, als Assimilationsprodukt ohnehin für Pflanzen
das elementare Lebenselixier. In der nötigen Konzentration und ergänzt durch andere Stoffe kann er den Gefrierpunkt in den Pflanzenzellen erheblich senken.
Allerdings: ein Leben wie im Sommer ist damit nicht möglich. Da ist zunächst die Tatsache, dass die Photosynthese bestimmte Mindesttemperaturen erfordert. Aber auch der Wassertransport ist dann
nicht mehr möglich – und zwar nicht erst wenn das Wasser gefriert, sondern auch zuvor schon, weil ein zu starkes Gefälle der Zuckerkonzentration die Zellen schädigen würde.
Die Bäume halten daher Winterruhe und müssen sich im Herbst regelrecht „winterfest“ machen: außer der Einlagerung von Zucker - als Frostschutz ebenso wie als Reserve für das nächste Jahr - heißt
das vor allem: soweit als möglich den Wassertransport einschränken - alles überflüssige Wasser könnte bei Frost Schaden anrichten. Damit entsteht das nächste Problem: wenn der Wassertransport
reduziert ist, dann kann Verdunstung zum Vertrocknen führen. Dass die Laubbäume ihre Blätter abwerfen, dient nicht nur dazu, die Schneelast zu verringern, sondern auch die Verdunstung - und die
Schuppen der Winterknospen schützen diese vor dem Austrocknen – und nicht etwa vor der Kälte, denn die könnten sie nicht einmal eine Frostnacht lang abhalten.
Die Kälteresistenz ist jahreszeitlich verschieden: Frostnächte im Frühling können frische Triebe erfrieren lassen, auch wenn bei weitem nicht mehr die Minusgrade erreicht werden, die der Baum in
den Wintermonaten ohne Schaden überstanden hat.
Nadelbäume sind der Gefahr des Vertrocknens stärker ausgesetzt als Laubbäume; sie schützen sich zwar durch eine Wachsschicht auf den Nadeln, aber die verbleibende Verdunstung ist dennoch viel
größer als bei den kahlen Laubbäumen. Vor allem bei Föhnwetterlagen kann es deshalb zur sogenannten „Frosttrocknis“ kommen: wenn der Boden ist noch gefroren ist, können die Wurzeln keinen Ersatz
für das oben in der warmen Luft verdunstende Wasser nachliefern.
Die Winterstrategie der Nadelbäume erscheint also weniger perfekt als die der Laubbäume. Wie kommt es dann aber, dass es gerade Nadelbäume – insbesondere Fichten - sind, die in den Alpen am
höchsten aufsteigen und in Skandinavien oder Sibirien noch am weitesten nördlich gedeihen? – Die Nadelbäume sind dort im Vorteil - nicht, weil die Winter so hart, sondern weil die Sommer so kurz
sind: für Laubbäume würde es sich nicht lohnen, jährlich neues Laub zu produzieren, wenn sie es dann doch so bald wieder abwerfen müssten; da sind die Nadelbäume im Vorteil, denn sie behalten die
Nadeln und können gleich loslegen, sobald es wieder einigermaßen warm ist.
(Text und Fotos: Rudi Netzsch)