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Wilde Möhre im Garten

Wilde Möhre? So ein Unkraut halten Sie in Ihrem Garten? – Jawohl, das tue ich, aber die wilde Möhre ist kein Unkraut, sondern eine stolze und wunderschöne Wildpflanze, die gerade jetzt, im Hochsommer, blüht. Zwischen Juni und September hört sie gar nicht auf und öffnet immer wieder neue flach ausgebreitete Blütendolden. Die Blütendolden sind aus vielen kleinen Dolden zusammengesetzt, die ihrerseits aus vielen kleinen Blüten bestehen. Aus Hunderten von kleinen weißen Blüten entsteht so ein großer, attraktiver Gesamtblütenstand.
In der Mitte der Dolde trägt die Wilde Möhre eine sehr dunkle bis fast schwarze Blüte: das ist die Mohrenblüte. Sie kann fehlen oder auch als eine Krone mehrerer kleiner Blüten erscheinen, die von purpurrot bis dunkelviolett gefärbt sein können. Zusammen mit den filigranen weißen Blüten ist es eine wahre Augenweide.

Einige behaupten, dass die wilde Möhre ihren Namen von der Mohrenblüte hat. Andere, dass Mohr und Möhre keine gemeinsame etymologische Herkunft haben.

Dieser Blütenstand zieht, wie bei allen Doldenblütlern, Insekten wie Wildbienen, Blattwespen, Wanzen, Käfer und Fliegen geradezu magisch an. Die Blüten sind eine Hauptpollenquelle für die Sandbienen. Der kleine schwarze Punkt der Mohrenblüte hilft für eine erfolgreiche Vermehrung. Die kleine dunkle Blüte wird im Vorbeifliegen als Insekt wahrgenommen und signalisiert interessierte Kundschaft.
 
Nach der Blüte rollt sich die Dolde wie ein Vogelnest zusammen. Dieses weitere typische Erkennungsmerkmal, zusätzlich zu der Mohrenblüte, sollte vor Verwechselungen mit anderen Doldenblütlern, die gefährlich sein können, zum Beispiel der giftigen Hundspetersilie oder dem sehr giftigen Schierling schützen. Die zusammengerollte Dolde bietet Insekten einen Unterschlupf. Spinnen nutzen sie zum Beispiel als Kinderstube.
Die wilde Möhre sollte nicht abgeschnitten werden wenn sie verblüht ist. Im Winter bilden sich schöne Schneekappen auf ihr und der Raureif umgibt sie mit einem zauberhaften Weiß. Im trockenen Stängel legen Wildbienen (Solitär-) außerdem ihre Brutnester an. Die trockenen Stängel sollten daher mindestens 1 Jahr stehen gelassen werden.

Die Wilde Möhre ist eine meistens zweijährige, manchmal auch mehrjährige Wildpflanze. Ich habe sie vor zwei Jahren in einer sonnigen Ecke meines Gartens gesät, die für Wildpflanzen reserviert ist. Trotz meiner Versuche, so viel Humus wie möglich wegzunehmen und Sand dazu zu mischen, ist der Boden dort bestimmt nicht mager genug für viele Wildpflanzen. Dort haben es Kartäusernelke und blutroter Storchschnabel schwer, aber Wiesen-Storchschnabel und Wilde Möhre kommen auch auf nährstoffreichen Böden vor und haben damit kein Problem.
Die wilde Möhre ist auch keine seltene Pflanze. Sie ist in Europa, im Norden Afrikas und in der Türkei recht häufig anzutreffen. Dadurch, dass sie relativ anspruchslos ist, findet man sie auf vielen Standorten, darunter offene Wiesen, Brachflächen, Ruderalstandorte sowie in nährstoffreichen Staudenfluren. Wo die Pflanze auftritt, tritt sie meist in großer Gesellschaft auf.
Der Möhre scheint meine kleine Ecke zu gefallen, sie erreicht jetzt eine Höhe von 1m 20. Bald hoffe ich in ihrer Nähe einen unserer schönsten Schmetterlinge beobachten zu können, den Schwalbenschwanz.
Die wilde Möhre ist ja seine Lieblingspflanze, besser gesagt, die Lieblingspflanze seiner Raupe. Bis jetzt ist es mir aber nicht gelungen. Vielleicht liegt es daran, dass meine wilden Möhren in der Gegend recht einsam sind, und der Schwalbenschwanz den Weg dorthin nicht findet.

So Herr Nachbar, was würden Sie davon halten, auch ein paar wilde Möhren in Ihrem Garten zu pflegen?
Der Schwalbenschwanz könnte sich da besser orientieren und wir alle würden uns um ihn freuen!

(Text Patrick Fantou und Tobias Stieger, Fotos: Patrick Fantou)