Wie schaffen es Vögel, Beutetiere wie Feldhamster oder Mäuse aus großer Entfernung zu erkennen oder Insekten im Flug zielsicher zu fangen? Denn Mauersegler und Schwalben vollbringen mit ihrem
guten Sehvermögen eine unglaubliche Leistung. Spezielle Eigenschaften des Körpers machen es möglich und verstärken das Sehvermögen enorm.
Doch nicht nur bei der Nahrungssuche sind Vögel auf gute Augen angewiesen, sondern auch bei der Abwehr von Fressfeinden. Denn nur wer seine Feinde rechtzeitig erkennt, kann
entkommen. Nachtaktive Vögel wie Eulen sind auf ihre guten Augen angewiesen, sie sind sogar überlebenswichtig.
Anders als bei Säugetieren sind die Augen bei Vögeln im Verhältnis zur Körpergröße relativ groß. Spezielle Anpassungen verstärken die Anatomie.
Eingebaute Sehhilfe
Greifvögel wie Falken oder Adler haben in ihren nach vorne gestellten Augen quasi ein Fernglas verbaut. Dadurch werden Objekte in einem Teil ihres Blickfeld vergrößert. Darüber hinaus
dienen Federn über dem Auge als Schutz vor Sonneneinstrahlung. Das ist auch der Grund, weshalb wir den Blick der Greifvögel als „grimmig“ wahrnehmen. Ein Adlerauge hat
übrigens eine mehr als doppelt so hohe räumliche Auflösung wie unser Sehorgan.
Rundumblick
Bei Vögeln, die selbst schnell zur Beute für Raubtiere werden (z.B. Hühner), sind die Augen seitlich angesiedelt. Dadurch ist es möglich, nahezu in jede Richtung zu blicken und wachsamer zu sein,
quasi ein 360°-Blick. Ihre Fähigkeit für ein räumliches Sehen ist dadurch allerdings eingeschränkt, weil sich die Sehfelder der Augen fast nicht überschneiden.
Flexibler Hals
Solch ein stark ausgeprägtes räumliches Sehen haben beispielsweise Eulen, weil ihre Augen nebeneinander an der Vorderseite des Kopfes angesiedelt sind. Somit ist es möglich, den Kopf um 270°
zu drehen und obwohl sie den Hals nach links gedreht haben, können sie nach rechts blicken. Auch der Wendehals ist bekannt für das Drehen seines Kopfes um 180°.
Wackelkopf
Beim Gehen vieler Vögel könnte man meinen, dass der Kopf ständig in Bewegung ist. Das Gegenteil ist aber der Fall. Geht der Körper nach vorne, bleibt der Kopf völlig still. Dieser Augenblick
der Ruhe wird genutzt, um Objekte besser zu erkennen. Dieses Verhalten ist besonders gut bei Tauben, aber auch bei Krähen und Kranichen zu beobachten.
Sehkraft bei Wasservögeln
Wenn wir Menschen ins Wasser abtauchen, passiert bei uns allen meist Gleiche: wir sehen erst mal Nichts. Weil Wasservögel sich im Element Wasser aber jederzeit zurecht finden müssen, ist ihre
Lebensweise amphibisch. Welchen Trick verwenden also Schellente & Co.?
Die Augen bei Wasservögeln haben eine äußerst starke und verformbare Linse, die flexibel auf die Leistung der Hornhaut reagieren kann. Ein Autofokus, wenn man so will. Unter Wasser ist die Linse
dann stark gewölbt, was zur besseren Lichtbrechung führt.
Übrigens:
Alle Vögel haben eine so genannte „Nickhaut“ - eine dünne Bindehautfalte, die auch das dritte Augenlid genannt wird. Sie sitzt im oberen inneren Augenwinkel und überzieht in regelmäßigen
Abständen das Vogelauge. Um Austrocknung während des Fluges zu verhindern, wird sie über die Hornhaut geschoben.
Wer setzt die Nickhaut wie ein?
- Tauben blinzeln sehr häufig, um Fremdkörper wie aufgewirbelte Staubkörner zu entfernen
- Der Eisvogel setzt sie ein, wenn er erbeutete Fische gegen einen Ast schlägt
- der Kolkrabe lässt seine weiße Nickhaut aufblitzen, um während der Balz aufzufallen
- Fischadler und Wasseramsel schließen ihr drittes Augenlid kurz vor dem Eintauchen ins Wasser
Nicht nur das leuchtend blaue, grüne oder rote Gefieder der Vögel, auch die Augen vieler Arten sind bunt. Doch warum ist das so? Eine Gruppe der Louisiana State University in Baton Rouge
kommt nach der Auswertung mehrerer Einzelstudien zu folgendem Schluss: Ähnlich wie beim Gefieder senden die Tiere mit der Färbung ein Signal aus und kommunizieren wichtige Botschaften.
Zum Beispiel über ihren Gesundheitszustand. Studien zeigen, dass zum Beispiel bei Reihern die Färbung während der Brutzeit intensiver ist, bei Bruterfolg sogar noch intensiver.
Sehr oft dient die Augenfarbe dazu, Rivalen abzuschrecken. Das hat ein Test mit Dohlen gezeigt. Platzierten Forscher das Bild einer Dohle mit leuchtenden Augen an einem Nistplatz, zögerten
Artgenossen, sich dem Nistplatz zu nähern. Die Sehkraft verbessert diese Farbenpracht allerdings nicht.*
*Quelle: The mechanistic, genetic and evolutionary causes of bird eye colour variation Eamon C. Corbett, Robb T. Brumfield, Brant C. Faircloth, First published: 11 October 2023