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Hochnordischer Weihnachtgast – das Thorshühnchen vom Starnberger See

Thorshühnchen und Fotografen (Foto: Pit Brützel)
Thorshühnchen und Fotografen (Foto: Pit Brützel)

 

 

Ein voller Parkplatz am Campingplatz Seeshaupt, bäuchlings auf dem eisigen Strandboden liegende Fotografen, staunende Ornithologen in der winterlichen Kälte – ein merkwürdiges Treiben setzte am zweiten Weihnachtsfeiertag am Südende des Starnberger Sees ein. Auslöser: ein Wassertreter, genauer gesagt ein Thorshühnchen.

 

Diese hochnordische Vogelart aus der Ordnung der Limikolen ist für den Landkreis Starnberg eine Sensation und für die örtlichen Ornithologen ein ganz besonderes Geschenk zu diesen so besonderen Weihnachten 2020.

 

Thorshühnchen (Foto: Christian Haass)
Thorshühnchen (Foto: Christian Haass)

 

 

"Das waren wunderbare Beobachtungen. Das Thorshühnchen lief am Ufer bei der Nahrungssuche auf und ab. Zwischendrin flog es ein paar Hundert Meter weiter Richtung der Bucht von St. Heinrich, kehrte aber nach etwa einer halben Stunde wieder zum 'Fototermin" zurück", zeigte sich Pit Brützel, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen (ASO), begeistert. Brützel war einer von mehr als 60 Beobachtern, die den seltenen Langstreckenzieher bei seiner Zwischenstation im Landkreis mit eigenen Augen sehen wollten.

 

Kaum war die Entdeckung von Timo Suttner über ornitho.de raus, begann der Pilgerzug der Ornithologen und Fotografen nach Seeshaupt. Fotokameras, Ferngläser und Spektive wurden in Stellung gebracht, um den gerade einmal 50 bis 60 Gramm schweren Gast zu bewundern.

 

 

Thorshühnchen (Foto: Christian Haass)
Thorshühnchen (Foto: Christian Haass)

 

Die Ferngläser und Spektive hätte es indes gar nicht gebraucht, das Thorshühnchen zeigte sich nämlich so gar nicht scheu und näherte sich den Beobachtern bis auf wenige Meter. Die geringe Fluchtdistanz zählt tatsächlich zu den Eigenheiten der Art, bei der auch die Geschlechterrollen vertauscht sind. Da sich der Vogel im Winterkleid präsentierte, war eine Bestimmung des Geschlechts nicht möglich, die lokalen Experten waren sich aber immerhin darin einig, dass es sich um einen diesjährigen Vogel handelt.

 

Seit Aufzeichnung der Vogelbeobachtungen über das Portal ornitho.de war es erst das zweite Mal, dass ein Thorshühnchen im Landkreis Starnberg gesichtet wurde. Der erste Nachweis stammt vom 21. Oktober 2017, auch damals ein diesjähriger Vogel. Zwei weitere Beobachtungen gelangen im Januar 2015 und Mai 2019 am Südende des nahe gelegenen Ammersees.

 

 

Thorshühnchen (Foto: Christian Haass)
Thorshühnchen (Foto: Christian Haass)

Was das Thorshühnchen dagegen in diesem Jahr zur Weihnachtszeit nach Bayern verschlug, bleibt rätsehaft. Die Überwinterungsgebiete der Art liegen eigentlich in West- und Südafrika sowie in Südamerika. Die bis zu 15.000 Kilometer lange Rückkehr in die Brutgebiete auf Grönand, Island, Spitzbergen und an den Nordküsten von Russland, USA und Kanada erfolgt im Frühling. Binnenland meiden die Thorhühnchen fast gänzlich, allenfalls durch starke Stürme driftet das eine oder andere Exemplar auch in derart ungewöhnliche Gefilde ab.

 

Neben dem Campingplatzstrand und dem Dampfersteg von Seeshaupt zeigte sich "unser" Thorshühnchen auch in Seeseiten – stets fleißig nach Nahrung suchend. Ingo Weiß konnte feststellen, dass besonders Bachflohkrebse, Egel und Dipteren auf der Speiseliste stehen. Wie es nun weitergeht für das Thorshühnchen vom Starnberger See? Das weiß natürlich niemand, man kann aber davon ausgehen, dass es eine sehr lange Reise vor sich haben wird.

 

(Text: Tobias Laure)