Thomas, Pit Ihr als passionierte Ornithologen und Vogelkenner – wie ist Eure generelle Haltung zum Thema Vogelbestimmungs-App?
Thomas:
Apps sind ein tolles Handwerkszeug. Sie erleichtern das Bestimmen von Vögeln deutlich. Wenn ich denke, dass ich früher ein pfundschweres Bestimmungsbuch mit mir herumgeschleppt habe, das heute
als App auf mein Smartphone passt, ist das schon ein großer Fortschritt. Besonders beeindruckend sind die Apps, die auf künstlicher Intelligenz (KI) beruhen. Da wurden in den
vergangenen Jahren enormen Fortschritte erzielt.
Apps ersetzen aber auf keinen Fall solide Kenntnisse in der Vogelbestimmung, wie wir sie beispielsweise in unserem Kurs vermitteln. Was passiert, wenn jemand unkritisch und ganz offensichtlich
ohne Grundkenntnisse Vogelbestimmung betreibt, kann man jedes Jahr bei der „Stunde der Wintervögel“ beobachten. Da werden Arten wie Wespenbussard oder Turteltaube gemeldet. Das sind
Langstreckenzieher, die in Afrika überwintern, und deren Auftreten im Winter extrem unwahrscheinlich ist – und die ganz offensichtlich mit häufigen Arten wie dem Mäusebussard und der Türkentaube
verwechselt wurden.
Pit:
Grundsätzlich finde ich solche Vogelbestimmungs- Apps eine interessante Erweiterung des technischen Spektrums. Allerdings braucht man für eine sinnvolle Verwendung solcher Apps auf jeden Fall
Grundkenntnisse über die Vogelwelt und über Vogelbestimmung. Man muss zum Beispiel einschätzen können, ob die Jahreszeit, der besuchte Lebensraum und weitere Beobachtungsumstände zu der von der
App identifizierten Vogelwelt passen. Außerdem ist Vorsicht geboten, denn auch die Apps sind nicht vollständig fehlerfrei. Die von der App identifizierte Vogelart sollte normalerweise nur ein
Hinweis auf eine mögliche Art, und keine 100%ige Bestimmung sein. In meinem Berufsleben gab es einen flapsigen Satz über die Verwendung von Werkzeugen: „A fool with a tool is still a fool.“
Und das gilt auch für die Verwendung des Werkzeugs Vogelbestimmungs-.App.
Kommt bei Euren Exkursionen und Monitoring-Einsätzen auch mal solch eine App zum Einsatz?
Thomas:
Ja, ständig. Ich nutze Apps zur Bestimmung und zur Erfassung auf jeder Exkursion und beim Monitoring – vorausgesetzt ich vergesse das Smartphone nicht zu Hause oder der Akku macht unterwegs
schlapp ;-). Dann muss ich mich wieder auf meine Augen und Ohren verlassen und mit Papier und Bleistift erfassen.
Pit:
Ich verwende eine Vogelbestimmungs-App (in meinem Fall Merlin) für die Bestimmung von Lautäußerungen bei folgenden Gelegenheiten:
a) zur Bestätigung meiner eigenen Bestimmungen. Wenn ich bei der Bestimmung von Gesängen/Rufen mit einer Artbestimmung nicht vollständig sicher bin, lasse ich Merlin „zuhören“ und meine
Bestimmung bestätigen oder widerlegen.
b) als verstärkendes Mikrofon. Da ich altersbedingt nicht mehr allzu gut höre, lasse ich Merlin manchmal laufen, um auch sehr leise singende/rufende oder weit entfernte Vögel mitzubekommen. Man
kann in der App dann die aufgenommenen Passagen abspielen, bei denen der Vogel identifiziert wurde und kann dann selbst einschätzen, ob Merlin hier richtig identifiziert hat.
c) bei ungewöhnlichen oder mir völlig unbekannten Vogelstimmen