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Herbstgesang der Vögel im Landkreis Starnberg

singendes Rotkehlchen (Foto: Antje Geigenberger)
singendes Rotkehlchen (Foto: Antje Geigenberger)

Im Frühjahr dient der Gesang der Vögel Revierabgrenzung und dem Werben um Weibchen. Aber warum singen sie auch im Herbst, wenn das Brutgeschäft abgeschlossen, und „die Kleinen schon längst aus dem Haus sind“? Der Herbstgesang der Vögel ist ein wenig untersuchtes Phänomen.

  

Im Herbst 2023 habe ich begonnen, dem Herbstgesang von Vögeln in den Daten von ornitho.de nachzuspüren. Während Beobachtungen von singenden Vögeln während der Brutzeit - im Frühjahr und Sommer - gut durch die vergebenen Brutzeitcodes dokumentiert werden, fehlt der Hinweis auf eine Gesangsfeststellung außerhalb der Brutzeit fast immer. Mir ist jedoch aufgefallen, dass hin und wieder Kommentare wie „singend“, „Gesang“ oder „ein singendes Männchen“ vom Beobachter in die Kommentarzeile geschrieben wurden. Also begann ich, die Kommentare zu Beobachtungen auf ornitho.de nach solchen Stichworten auszuwerten – und stieß auf einen kleinen Schatz: wenn es auch im Verhältnis zu den Brutbeobachtungen wenige waren, so waren die „Singsang“-Beobachtungen doch so häufig, dass man sie statistisch auswerten konnte.

Im Herbst 2024 erging dann ein Aufruf an Vogelbeobachter der ASO, singende Vögel im Herbst (August bis Dezember) mit entsprechendem Vermerk im Kommentar auf ornitho.de einzugeben. Das Stichwort „Gesang“ war schnell etabliert.

 

 

 

Folgende Abbildung zeigt, wie sich die Anzahl der Meldungen mit entsprechenden Stichwörtern im Kommentarfeld („Singsang“-Meldungen) im Landkreis Starnberg entwickelt hat. Durch den Aufruf ist die verwertbare Datenmenge von ca. 80 auf über 600 im Jahr stark nach oben geschnellt. Betrachtet werden hier nur Meldungen im Landkreis Starnberg zwischen 1. August und 31. Dezember.

Auch die Anzahl der Vogelarten, für die Herbstgesangs-Meldungen eingegeben wurden, hat sich vervielfacht:

Welche Arten haben am häufigsten gesungen? Hier die Arten, die am häufigsten gemeldet wurden:

Die Herbstbalz des Waldkauzes ist bekannt; diese Art fängt – ähnlich wie die Wasseramsel – dann auch schon sehr früh im neuen Jahr an zu singen. Daneben waren Zilpzalp, Hausrotschwanz, Zaunkönig und Rotkehlchen die am häufigsten gemeldeten Arten. Meldungen mit dem Brutzeitcode A2 („singendes oder balzendes Männchen“) spielen in den Herbstmonaten keine Rolle. 

 

Ein Ziel der Übung ist, den zeitlichen Verlauf des Herbstgesangs in seiner Intensität darzustellen („Phänologie“). Über die Phänologie des Herbstgesangs, oder gar seine Entwicklung über die Jahre und Jahrzehnte, ist erstaunlich wenig bekannt. Dazu benötigt man viele Daten. Im Jahr 1964 hat sich etwa Reinhard Gnielka die Mühe gemacht, ausgewählte Vogelarten im Stadtkreis Halle (Saale) fünf Jahre lang zu beobachten und den Herbstgesang zu dokumentieren. In folgender Abbildung sieht man als graue Fläche seine Ergebnisse 1964-1968 (vertikal in beliebiger Skalierung), in blau unsere Ergebnisse aus dem Jahr 2024, beispielhaft am Rotkehlchen. Die Ergebnisse stimmen sehr gut überein. Ein beeindruckendes Zeugnis des Potentials von „Citizen-Science“-Projekten durch Plattformen wie ornitho.de, zumal „unsere“ Daten in nur einem Jahr entstanden sind.


Daten vor August sind ausgeblendet. Interessant sind die Ergebnisse für die Kohlmeise, wo man einen leichten Versatz zu späterem Gesang erahnen kann. Allerdings sind die Halle-Daten wesentlich weiter nördlich erhoben worden (Sachsen-Anhalt). Es wird sehr spannend zu sehen, ob sich dieses Muster in den nächsten Jahren wiederholt. 

 

QUELLEN: Ornithologische Mitteilungen, Monatsschrift für Vogelbeobachtung, Feldornithologie und Avifaunistik: „Zur Phänologie des Herbstgesanges und der Herbstbalz“; Gnielka, Reinhard 1969
https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/urn/urn:nbn:de:hebis:30:4-115512

 

(Text und Grafiken: Gerhard Huber)