Gemeinsam Bayerns Natur schützen

18. November 2025

 

Murnauer Moos - Naturschutz durch Bewirtschaftung 

Vortrag von Tim Korschefsky 

 

 

Ca. 40 Ornis hatten sich im Nebensaal des Restaurants „La Fattoria“ in Drößling eingefunden, um beim Orni-Stammtisch der ASO einen Vortrag über das Murnauer Moos zu hören.

 

Tim Korschefsky, Leiter der Biologischen Station Murnauer Moos, referierte über den Erhalt der Kulturlandschaft und die Situation der Wiesenbrüter im Murnauer Moos.

 

Kulturlandschaft Murnauer Moos

Die Auftaktfrage von Tim Korschefsky lautete: Ist das Murnauer Moos Wildnis und unberührte Natur? Die Antwort darauf lautet: Nein, das Murnauer Moos ist eine Kulturlandschaft, die durch den Menschen geprägt ist. Die ersten landwirtschaftlichen Nutzungen werden vor ca. 7.000 Jahren datiert (Pollenfunde von Lein). Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Murnauer Moos noch großflächig als Streuwiese genutzt. Die nassen Flächen wurden im Winter bei Frost gemäht, die trockeneren Flächen im Herbst. Mit historischen Aufnahmen (das ganze Moos ist voller Streutrischen) belegte der Referent diese Nutzung. Bis 1967 hatte sich der Bestand an Streuwiesen drastisch verringert, es gab im Jahr 1967 nur mehr ca. 67 Hektar an Streuwiesen. 

Ansichtskarte von 1910: Streutrischen wie die Sterne am Himmel. Eines der wenigen Bilder, das einen Eindruck von der früheren großflächigen Streuwiesenmahd vermittelt.
Ansichtskarte von 1910: Streutrischen wie die Sterne am Himmel. Eines der wenigen Bilder, das einen Eindruck von der früheren großflächigen Streuwiesenmahd vermittelt.

 

Die Gehölzflächen nahmen zu, aus dem Murnauer Moos drohte ein Murnauer Wald zu werden. Das Murnauer Moos ist der größte lebende Moorkomplex in Mitteleuropa, damit besteht eine besondere Verantwortung für dieses Gebiet. Durch die Sukzession drohte der Verlust der Kulturlandschaft und vor allem auch der Verlust an Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. 

 

Mit eindrucksvollen Grafiken belegte Tim Korschefsky die negativen Auswirkungen der Gehölze auf die Wiesenbrüterarten. Durch die Kulissenwirkung der Gehölze wird das Habitatpotential des Gebiets für die Wiesenbrüter verringert. Die Wiesenbrüter meiden die Nähe der Gehölze wegen des Prädationsrisikos durch Greifvögel, Füchse, Hermelin, etc.. Es gilt also abzuwägen, ob man Offenlandstrukturen fördert oder den Wald wachsen lässt. Im Murnauer Moos hat aus avifaunistischer Sicht der Schutz von Wiesenvögeln Priorität.

 

 

Fast alle Wiesenbrüterarten sind in Bayern vom Aussterben bedroht

Über den Bestand der Wiesenbrüterarten in Bayern ist man durch die regelmäßig stattfindenden Wiesenbrüterkartierungen relativ gut informiert. Leider ergibt sich bei diesen Arten ein erschreckendes Bild. Fast alle Wiesenbrüterarten wie z.B. Rotschenkel, Uferschnepfe, Wachtelkönig, Bekassine, Braunkehlchen, Wiesenpieper sind in Bayern vom Aussterben bedroht.

Bekassine (Foto: Tim Korschefsky)
Bekassine (Foto: Tim Korschefsky)

Das Murnauer Moos hat bei einigen dieser Arten eine ganz besondere Bedeutung. Es zählt bei diesen Arten zu den TOP 10 Wiesenbrütergebieten in Bayern. Ein paar Zahlen sollen das veranschaulichen.

 

Im Jahr 2015 wurde der Bestand an Braunkehlchen im Murnauer Moos mit 67 – 78 Brutpaaren angegeben. In ganz Bayern gab es in diesem Jahr ca. 455 Reviere, d.h. gut 15% des bayerischen Braunkehlchenbestands brüten im Murnauer Moos. Ähnlich ist die Situation bei der Bekassine. In ganz Bayern gab es im Jahr 2015 ca. 295 Reviere, davon brüteten 34 – 39 Paare im Murnauer Moos.

 

Beim Wiesenpieper ist die Bedeutung des Murnauer Moos noch größer. Von den ca. 438 Brutpaaren in Bayern brüten gut 20 % im Murnauer Moos (95 – 104 BP). Auch hier stammen die Zahlen aus dem Jahr 2015.

 

Beim Wachtelkönig ist das Murnauer Moos sogar das TOP 1 Gebiet in Bayern. 

 

Naturschutzes im Murnauer Moos gemeinsam mit den Landwirten

Solche Gitterräder ("Moosradl") oder Zwillingsreifen waren und sind in nassen Mooswiesen Voraussetzung für eine bodenschonende Bewwirtschaftung.
Solche Gitterräder ("Moosradl") oder Zwillingsreifen waren und sind in nassen Mooswiesen Voraussetzung für eine bodenschonende Bewwirtschaftung.

Seit den 1990er Jahren wurden im Murnauer Moos in einem Großprojekt viele Flächen vom Landkreis GAP aufgekauft bzw. zusammengelegt. Bis zum Jahr 2003 hatte der Landkreis ca. 1000 Hektar (10 Quadratkilometer!) Flächen im Murnauer Moos für Naturschutzzwecke angekauft. Neben dem Grundbesitz ist die naturverträgliche Nutzung der wesentlich Erfolgsfaktor für den Erhalt der Wiesenbrüter.

 

Hier spielt das Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) mit der Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft mit Streunutzung eine besonders wichtige Rolle. In Zusammenarbeit mit den Moosbauern werden die Landschaftspflegemaßnahmen durchgeführt. Dazu zählen vor allem die Wiederherstellung und der Erhalt der Streuwiesen, aber auch die Entfernung von Gehölzen zur Vergrößerung der möglichen Habitate der Wiesenbrüter. Bei den Pflegemaßnahmen haben die Landwirte sehr viele kreative und innovative Ideen wie z.B. die Verbindung einer Pistenraupe mit einem Balkenmäher oder auch den Anbau von Moosradln umgesetzt. Mit den selbstgeschweißten Moosradln bzw. den Zwillingsreifen ist es möglich, in den nassen Moosflächen die Mäharbeiten bodenschonend durchzuführen. 

lückige Brache (Foto: Tim Korschefsky)
lückige Brache (Foto: Tim Korschefsky)

Tim Korschefsky führte aus, dass der Erhalt von Brachestreifen eine besondere Bedeutung bei den Pflegemaßnahmen hat. Heute werden de facto bei allen Mähflächen Brachestreifen stehen gelassen. Hier wird darauf geachtet, dass die Brachestreifen möglichst heterogen und lückig sind, um optimale Voraussetzungen für die Wiesenbrüter zu schaffen. Die Brachestreifen sind Brut- und Aufzuchthabitat sowie Rückzugsmöglichkeit für Insekten, Wachtelkönig, Braunkehlchen, Wild & Co..

  

Bei der Naturschutzarbeit geht es darum, die unterschiedlichen Arten und deren Ansprüche zu kennen und viele weitere Faktoren wie z.B. Gehölze, Mahd, Wasser, Bodenrelief und Standort zu berücksichtigen. Bei der Erstellung des Pflegekonzepts müssen dann bezüglich der zu fördernden Arten Priorisierungen vorgenommen werden. Im Murnauer Moos hat der Schutz der Wiesenbrüter Priorität. Die Wiesenbrüter stehen zwar im Vordergrund der Naturschutzarbeiten im Murnauer Moos, sie sind allerdings Schirmarten für viele weitere Zwecke: Erhalt der Kulturlandschaft, Schutz der Pflanzengemeinschaften, Schutz der Feuchtwiesen sowie der Schutz weiterer Tierarten wie Heuschrecken, Libellen, Schmetterlinge, etc.. 

Lang anhaltender Applaus und viele Fragen der Zuhörer zeigten, dass es dem Referenten gelungen ist, das umfangreiche Thema sehr interessant und anschaulich darzustellen. Vermutlich werden sich die Zuhörer beim nächsten Besuch im Murnauer Moos an die vielen neuen Informationen erinnern können.

 

Ein großes Dankeschön an Tim Korschefsky, der nach einer langen Anreise einen gelungenen Orni-Stammtisch gestaltet hat. Nach dem Vortrag saßen die Teilnehmer noch lange zusammen und tauschten sich über Beobachtungen, Erlebnisse und geplante Aktivitäten aus. Neben dem Vortrag ist ja auch der Stammtischcharakter dieser Veranstaltung wichtig.

 

(Text: Pit Brützel; Fotos, soweit nicht anders vermerkt: Landratsamt Garmisch-Partenkirchen)