Gemeinsam Bayerns Natur schützen

14. Oktober 2025 - "Die Rückkehr der Bartgeier" 

 

Der größte Brutvogel der Alpen lockte knapp 40 Ornis ins Restaurant Fattoria. Kein Wunder, ist die Auswilderung des Bartgeiers in den Bayerischen Alpen doch eines der meist beachteten und spannendsten Projekte des Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV).

David Schuhwerk vom LBV, der das Auswilderungsprogramm im Nationalpark Berchtesgaden mitbetreut, nahm den langen Weg aus dem äußersten Südosten Bayerns nach Drößling im Landkreis Starnberg auf sich - und hatte hochinteressante Informationen zum Bartgeier im Gepäck.

 

Rückkehr eines majestätischen Vogels

Der elegante Flieger, der mit einer Spannweite von bis zu 2,90 Metern zu den größten Greifvögeln der Welt zählt, starb im Alpenbogen zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus. Eine menschengemachte Tragödie, die sich bereits am irreführenden Namen Lämmergeier erahnen lässt.

 

Unter dieser Bezeichnung war der Bartgeier lange bekannt. Die Zuschreibung fußte auf der falschen Annahme, der mächtige Vogel erlege Lämmer und trage sogar hin und wieder Babys davon. Entsprechend erbarmungslos wurde er bejagt.

 

Heute ist der Bartgeier ein Sympathieträger des Artenschutzes, womit wir bei Wally und Bavaria wären. Die beiden Weibchen waren 2021 die ersten Jungvögel des 1986 in Österreich gestarteten Hilfsprogramms, die im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert wurden. Das Projekt, das der LBV in Kooperation mit dem Team des Nationalparks leitet, soll über zehn Jahre laufen und sieht vor, jährlich zwei bis drei juvenile Bartgeier auszuwildern.

 

Die jungen Geier werden zuvor bestmöglich auf ihr neues Leben vorbereitet, zum Beispiel im Tiergarten Nürnberg, der Teil des Bartgeier Zuchtnetzwerks (EEP / Erhaltungszuchtprogramm des Europäischen Zooverbands) ist.

 

Warum der Bartgeier im tiefsten Winter brütet

David Schuhwerk begeisterte das Publikum mit einer schier unerschöpflichen Fülle an Informationen, Anekdoten, Feinheiten und Schwierigkeiten, die das ambitionierte Projekt auszeichnen. Sehr eindrücklich waren etwa die Schilderungen der unterschiedlichen Charaktere und Verhaltensweisen der bislang zehn jungen Bartgeier, die im Nationalpark Berchtesgaden in die Freiheit entlassen wurden.

 

Sei es die Reaktion auf die im Revier anwesenden Steinadler, die Intensität der Flugübungen oder der Aktionsradius nach dem Ausflug - jeder Vogel ist anders und doch gleichermaßen beeindruckend. Überraschenderweise spielte auch Batteriesäure eine Rolle im Vortrag. Deren niedriger PH-Wert entspricht nämlich ziemlich genau jenem der Magensäure des Bartgeiers. Warum das wichtig ist? Nur so gelingt es dem Vogel, Knochen zu verdauen und daraus Energie zu gewinnen.

 

 

Bemerkenswert ist die Brutzeit des Bartgeiers, die im tiefsten Bergwinter bei oft eisigen Bedingungen beginnt. Was auf den ersten Blick wie eine schlechte Option aussieht, ist tatsächlich clever gewählt. So kommen die Jungen im zeitigen Frühjahr zur Welt, wenn die Schneefelder schmelzen und Aas freilegen. "Es ist die beste Zeit im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Futter", wie David Schuhwerk betonte - und damit die Erklärung für den ungewöhnlichen Brutzeitraum. Was dem LBV-Team vor Ort in die Karten spielt: Dem Bartgeier sind viele Verhaltensweisen angeboren, er muss sie nicht von den Elterntieren erlernen. Dazu gehört das "Schminken" des Brustgefieders mit eisenoxidhaltigem Schlamm, der für die charakteristische Rostfärbung sorgt. 

 

Der Bartgeier und die gravierende Gefahr durch Blei

 

 

David Schuhwerk zeigte sich optimistisch, dass der Bartgeier nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft als etablierter Bestandteil der alpinen Avifauna einnimmt.

 

Allerdings, und das war dem Bartgeier-Experten ein wichtiges Anliegen, müssen anthropogene Gefahren für die Art weiterhin bekämpft und beseitigt werden. Neben der Kollision mit menschlichen Bauwerken, der Wilderei oder der Störung durch Freizeitaktivitäten in den Bergen sieht David Schuhwerk vor allem das bei der Jagd in privaten Revieren teils noch immer eingesetzte Blei. Das giftige Schwermetall bringt gleich eine ganze Reihe an Problemen mit sich, die auch dem Bartgeier schwer zusetzen und immer wieder zum Tod der Tiere führen.

 

Positiv hob David Schuhwerk die Entwicklung der Bestände in den Westalpen hervor, die der Bartgeier in exorbitant höherem Maße zurückerobert hat als die östlichen Alpen. Flogen im vergangenen Jahr insgesamt 61 Vögel aus, waren es in dieser Saison bereits 66. Generell gehe man von rund 100 Brutpaaren (Schweiz, Frankreich, Italien, Österreich) und etwa 400 Individuen in den Alpen aus.

 

Wie es weitergehen soll? Hauptziel sei nicht, den Bartgeier mit aller Macht als Brutvogel in Deutschland anzusiedeln, auch wenn dies natürlich sehr schön und durchaus möglich sei. In erster Linie gehe es aber darum, das spärliche Vorkommen in den Ostalpen zu stärken, um letztlich die Verbindung mit den Populationen auf dem Balkan sowie der Türkei und Griechenland herzustellen, was den noch zu kleinen Genpool der Alpenvögel erweitern würde.

 

(Text: Tobias Laure)

 

 

Alle Infos zum Bartgeier-Projekt des LBV mit Webcam, Blog, GPS-Daten, Forum und vielem mehr sind hier zu finden 

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