Gemeinsam Bayerns Natur schützen

15. Oktober 2024

Beim Orni-Stammtisch in Drößling hatten sich knapp 30 Ornis eingefunden. Den Vortrag über die biologische Vielfalt bei den Kampfläufern hielt Dr. Clemens Küpper, Leiter der Forschungsgruppe Verhaltensgenetik und Evolutionäre Ökologie am Max Planck Institut für Biologische Intelligenz.

 

Clemens Küpper hatte den Vortrag mit folgenden Informationen angekündigt: Im Laufe der Evolution hat sich Leben in einer unglaublichen Vielfalt auf unserem Planeten entwickelt und zur Ausprägung der unterschiedlichsten Arten geführt. Biologische Vielfalt und Diversität sind dabei aber keine rein zwischenartliches Phänomen. Arten selbst sind vielfältig, man denke dabei nur an oft stark ausgeprägte Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Einige Arten haben aber noch mehr zu bieten und zeichnen sich z.B. durch das Auftreten unterschiedlicher Morphen aus. Diese Morphen kommen oft gemeinsam in der gleichen Population unter den gleichen Umweltbedingungen vor. Um Biodiversität besser zu verstehen, ist es daher wichtig zu ergründen, wie solche innerartliche Vielfalt entsteht, was sie auszeichnet und durch welche Mechanismen sie erhalten bleibt. Im Vortrag wird dargelegt, welche Erkenntnisse, Studien an einer einzelnen außergewöhnlichen Vogelart, dem Kampfläufer, zum besseren Verständnis der innerartlichen Vielfalt beitragen können.

 

Kampfläufermännchen (Foto: Pit Brützel)
Kampfläufermännchen (Foto: Pit Brützel)

Die Idee zur Einladung von Clemens Küpper zum Orni-Stammtisch der ASO kam von einer Exkursion ins Max-Planck-Institut im Juli 2023, als wir dort einen ersten Eindruck über die Forschungsarbeiten an den Kampfläufern gewinnen konnten.

 

Kampfläufer (Calidris pugnax) sind eine Limikolenart, die bei uns im Landkreis Starnberg nur sehr selten auf dem Durchzug beobachtet werden kann. Dann sind die Kampfläufer meist im Schlichtkleid und eher unscheinbar.  Das ändert sich, wenn die Kampfläufer ihre Balzkämpfe in den Brutgebieten in Nordeuropa durchführen. In traditionellen Balzarenen, sog. Leks treffen sich die Kampfläufer zu ihren spektakulären Balzritualen. Kampfläufer unterschieden sich stark in Größe, Gefieder (Farbe, Halskrause, Perücke)  und Verhalten.

 

Die Männchen sind ca. 70% größer als die Weibchen., wobei die Küken beider Geschlechter beim Schlupf gleich groß sind. Doch schon eine Woche nach dem Schlüpfen sind Geschlechtunterschiede in Größe und Gewicht nachweisbar. Bei den Kampfläufern gibt es die traditionelle geschlechtstypische Rollenverteilung, die Männchen stehen im starken Wettbewerb untereinander, begatten die Weibchen  und beteiligen sich nicht weiter am Brutgeschäft. Die Weibchen, die sich oft mit mehreren Männchen paaren, kümmern sich um den Nachwuchs.

 

Kampfläufermännchen (Foto: Clemens Küpper)
Kampfläufermännchen (Foto: Clemens Küpper)

In den Balzarenen, die meist von 3 – 10 Kampfläufermännchen bevölkert werden, kann man 3 Morphen männlicher Kampfläufer unterscheiden. Die Kämpfer sind groß, haben ein sehr variables, meist dunkles Gefieder und sind sehr aggressiv. In den Arenen beanspruchen sie kleine, nur wenige Quadratmeter große Territorien. Ca,. 85% der Männchen sind vom Typ „Kämpfer“. Daneben gibt es die Satelliten. Satelliten sind etwas kleiner als Kämpfer und haben meist helleres Gefieder. Satelliten verteidigen kein Territorium, sondern suchen ein Kämpfermännchen für eine Co-Balz. Für die Weibchen sind die Paare Kämpfer/Satellit besonders attraktiv, die meisten Paarungen finden auf dem entsprechenden Kämpferterritorium statt. Eine dritte, sehr seltene Morphe sind die Faeder. Nur ca. 1% der Männchen können dieser Morphe zugeordnet werden. Faeder haben keinen männlichen Gefiederschmuck und sehen aus wie Weibchen. Sie „schleichen“ durch die Balzarena und kommen somit heimlich zur Begattung (Sandwichbegattung).

 

 

Kampfläuferküken (Foto: Clemens Küpper)
Kampfläuferküken (Foto: Clemens Küpper)

 Die drei Morphen sind rein genetisch bedingt und haben mit dem Testosteronspiegel der Tiere zu tun. Vor etwa vier Millionen Jahren entstand im Erbgut der Kampfläufer durch eine Inversion ein 'Supergen': Ein DNA-Stück brach heraus und wurde umgekehrt wieder in das Chromosom integriert – die Geburtsstunde der Faeder Morphe. Die Region enthält circa 100 Gene und wird seitdem als funktionelle Einheit vererbt. Eine seltene Rekombination zwischen der ursprünglichen und der umgekehrten DNA-Region brachte anschließend die Satelliten hervor. Näheres zur Genetik und zur Erhaltung der Vielfalt findet man in dem Forschungsbericht des MPI .

 

Der Referent fasste seine Ausführungen zu diesem Themenkomplex folgendermaßen zusammen:

- Genetisch bedingte Verhaltensstrategien bieten neue Einblicke in die Evolution von Vielfalt

- Genvarianten zur Regulierung des Testosteronspiegels bei Männchen ermöglichen Vielfalt von Strategien

- Genvarianten bieten Vor- und Nachteile in unterschiedlichen Lebenslagen. Ausgleichende Selektion erhält Vielfalt.

- Genetisch fixierte Verhaltensweisen zeigen hohe Plastizität.

Foto: Kampfläufer (Pit Brützel)
Foto: Kampfläufer (Pit Brützel)

Neben den Forschungen in den Kampfläufervolieren in Seewiesen gibt es von dem Forschungsteam rund um Clemens Küpper in der Nähe von Oulu/Finnland auch noch Freilandforschungen an den Kampfläufern. Hier brüten die Kampfläufer auf Küstenwiesen am Bottnischen Meerbusen. Kampfläufernester sind extrem schwer zu finden in der hohen Vegetation. Die Nester liegen meist nahe beieinander und in der Nähe der Balzarenen. Über die Wahl des Neststandorts ist noch nicht allzu viel bekannt, es gibt hier noch viel zu erforschen. Gefährdet sind die Kampfläufer in diesem Gebiet durch die Eutrophierung und Verschilfung. Beweidung der Flächen durch Kühe führt bei den Kampfläufern zu hohen Verlusten durch Trittschäden.  Außerdem steigt durch den Klimawandel die Überflutungsgefahr der Nester in unmittelbarer Küstennähe. Durch die Anlage künstlicher Balzarenen versucht man hier bessere Überlebensbedingungen für die Kampfläufer zu schaffen.

 

 

Insgesamt war es ein ausgesprochen spannender und informativer Vortrag. Clemens Küpper verstand es sehr gut, die komplizierten Zusammenhänge auch einem nichtwissenschaftlichen Publikum verständlich zu machen. Eine längere Diskussion schloss sich an und die Resonanz der Teilnehmer an diesem Orni-Stammtisch war sehr positiv. Vermutlich werden alle in Zukunft die Kampfläufer mit anderen Augen beobachten. Und beim nächsten Urlaub in einem Brutgebiet der Kampfläufer werden vermutlich alle versuchen, die Kämpfer, Satelliten und Faeder zu unterscheiden.Ein herzliches Dankeschön an Clemens Küpper für einen sehr gelungenen Abend.

(Text: Pit Brützel)