Kanarengirlitze sind die Vorfahren des domestizierten Kanarienvogels und kommen auf den Azoren, Madeira und den Kanarischen Inseln vor. Die Lebensräume unterscheiden sich dort sehr,
beispielsweise fällt im nordwestlichsten Verbreitungsgebiet, der Azoreninsel Corvo, die 15fache Regenmenge wie in seiner südöstlichsten Ausbreitung, der Kanareninsel Fuerteventura. Auch im selben
Habitat können große Unterschiede in der Regenmenge auftreten, beispielswiese findet man häufig hohen Niederschlag in der Brutzeit im Frühjahr und wenig oder kein Niederschlag außerhalb der
Brutzeit im Herbst, wenn extreme Trockenheit die Nahrungssuche erschwert. Auf der zum Madeira-Archipel gehörenden Insel Ilhéu Chão konnten wir in Abhängigkeit von gelegentlich auftretenden
ergiebigen Niederschlägen im Herbst frühe Brutaktivität während der kürzesten Tage im Jahr beobachten, da dann durch den Regen alle wichtigen Futterpflanzen zur Verfügung standen. Dieses frühe
Brüten ist ungewöhnlich, da die Brutaktivität bei Arten gemäßigter Zonen in Abhängigkeit der ansteigenden Tageslänge bei sich gleichzeitig erhöhenden Steroidhormonkonzentrationen im Blutkreislauf
der Vögel ausgelöst wird. Parallel dazu ändern die Tiere auch ihren Gesang, wo während der Brutzeit vermehrt solche Gesangssilben gesungen werden, die durch das Hormon Testosteron gesteuert
werden. Dies sind schnelle Silben mit hohem Frequenzbereich, die hauptsächlich bei der Partnerwahl eingesetzt werden. In einer weiterführenden Studie in der Voliere wollten wir herausfinden,
welche Komponenten der Pflanze Brutaktivität auslösen, indem wir einzelne oder zusammengesetzte Komponenten der Pflanzen, wie Geruch, Farbe oder Extrakt anboten. Es zeigte sich, dass ein
eindeutiger Effekt eines um sechs Wochen früheren Brutbeginns nur bei wachsenden Grünpflanzen zu beobachten war. Es muss also ein “verlässlicher” Umweltreiz vorhanden sein, auf den die Tiere
flexibel mit ihrem Verhalten reagieren können.