Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Purpurreiher, Nachtschwalbe und Zaunammer - Exkursion in die Wagbachniederung und Umgebung

Mit der Exkursion vom 10. bis 12.Mai 2024 in die Wagbachniederung im nordwestlichen Baden-Württemberg betrat die Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen (ASO) Neuland. Es war die erste Tour in der zehnjährigen Geschichte der ASO über drei Tage. Es sollte sich, soviel sei schon verraten, absolut lohnen und ein unvergessliches Naturerlebnis werden.

 

Das zeigte sich schon beim morgendlichen Treffen an den Mooswalder Seen bei Günzburg. Oliver Focks und Sebastian Ludwig, an die ein ganz großes Dankeschön für die hervorragende und knifflige Organisation der kompletten Exkursion geht, hatten den Treffpunkt für die 13 Ornis natürlich nicht zufällig gewählt: Die Seen gehören zum Naturschutzgebiet Donaumoos und bieten beste Voraussetzungen zur Vogelbeobachtung. 

ASO-Gruppe am Mooswaldsee
ASO-Gruppe am Mooswaldsee

Das erste Highlight: Halsbandschnäpper an der Bruthöhle

 

Es dauerte nur 45 Minuten, da verdankten wir dem guten Gehör von Sebi und Oliver die erste außergewöhnliche Entdeckung: Wenige Meter neben dem Weg war über längere Zeit und mit freiem Blick ein Halsbandschnäpper an seiner Bruthöhle in einer abgeknickten Birke zu beobachten. Für so manchen in der Gruppe war die Beobachtung sogar ein sogenannter Lifer, also eine Erstbeobachtung der Art. Besondere Erwähnung verdienen auch die singenden Pirole, Dorngrasmücken, ein Gelbspötter oder das Blaukehlchen. Bei den Limikolen begann die Exkursion zunächst verhalten, aber mit Flussregenpfeifer, Kiebitz und einem Kampfläufer auf dem Durchzug schaffte es auch diese Vogelordnung auf die Beobachtungsliste, die von Jana Selzer mit großer Akribie geführt wurde.

 


 

In der Saalbachniederung
In der Saalbachniederung

 

 

Danach war bei sommerlichem Wetter Schwitzen, Geduld und ein kühler Kopf in einigen Staus und bei der Navigation angesagt. Das nächste Etappenziel lag nämlich 200 Kilometer entfernt in der Saalbachniederung nahe Bruchsal. Ein Gebiet mit hochinteressanter Geschichte und ein Paradebeispiel dafür, was im Naturschutz möglich ist, wenn er von Enthusiasmus, guter Planung, Zusammenarbeit und Durchhaltewillen getragen wird. Um dem Geheimnis des Wiesen- und Feuchtgebiets Saalbachniederung näherzukommen, haben wir uns vor Ort mit Franz Debatin verabredet. Auf seine Initiative hin wurde 1993 die NABU-Gruppe Hambrücken gegründet, die bis heute für das Naturschutzprojekt Saalbachniederung verantwortlich ist und vor allem durch Franz Debatins Einsatz viele Erfolge vorweisen kann.

Aufbruch zur Abendexkursion in die Wagbachniederung
Aufbruch zur Abendexkursion in die Wagbachniederung

Drosselrohrsänger in der Saalbachniederung geben alles

 

Wir lernten bei seiner Führung durch die Fläche eine Menge spannender Fakten kennen - und kamen zu tollen Beobachtungen. Mehrere Drosselrohrsänger sangen nur wenige Meter neben uns aus voller Kehle und auch die Hauptzielart der gesamten Exkursion zeigte sich erstmals: der Purpurreiher. Mehrere Grünschenkel sorgten überdies dafür, dass sich auch unser Kontingent an Limikolen langsam füllte. Die Grauammer, die hier in kleinen Zahlen vorkommt, bekamen wir zwar nicht zu sehen, dafür stellten wir die erste Nachtigall, deren lauter Gesang zum Dauerbegleiter der kommenden Tage werden sollte, fest. Auffällig waren die vielen Überreste von Hirschkäfern auf den Wegen, die hier nach Information von Franz Debatin auf dem Speisezettel mehrerer Vogelarten stehen. Für uns durchaus überraschend, schließlich ist Deutschlands größter Käfer im Landkreis Starnberg leider extrem selten geworden.

 

Der Abend gehörte dann der Wagbachniederung. In der einstigen Rheinschleife bei Waghäusel entstand 1983 aus den Klärteichen einer später stillgelegten Zuckerfabrik ein Feucht- und Vogelschutzgebiet von nationaler Bedeutung. Große Bekanntheit unter Ornithologen hat die Wagbachniederung aufgrund ihrer Kolonie an Purpurreihern, die mit mehr als 20 Brutpaaren die wohl wichtigste in Deutschland ist. Schon nach wenigen Metern bekamen wir faszinierende Einblicke ins Leben dieser Reiherart, die etwas kleiner als der Graureiher ist. 

Wagbachniederung vor der Purpurreiherkolonie
Wagbachniederung vor der Purpurreiherkolonie

Neun-Stunden-Runde mit Bart- und Beutelmeise

 

Nach einer kurzen Nacht in Waghäusel, die ersten von uns waren bereits um 5:30 Uhr morgens zurück in der Wagbachniederung, nahmen wir uns so richtig Zeit für das Gebiet. Oder anders gesagt: Auf der etwas mehr als sieben Kilometer langen Runde durch das Gebiet waren wir knapp neun Stunden unterwegs! Das zahlte sich aus: Von der Turteltaube über die Bartmeise und Beutelmeise, Schwarzhalstauchern im Prachtkleid, auf den Nestern sitzenden Purpurreihern bis hin zu Bruchwasserläufer, Kampfläufer, Trauerseeschwalbe oder einer Zwergmöwe reichten die Beobachtungen. Und wenn von links die Nachtigall singt und von rechts die Mönchsgrasmücke, kommt im Eifer halt auch mal eine Mönchtigall heraus. Gemeldet haben wir die aber natürlich nicht. Ebenso wenig wie den im Gebiet gemeldeten Graubruststrandläufer, den wir trotz intensiver Nachsuche leider nicht entdecken konnten. Dafür hat uns länger die Frage beschäftigt, ob es sich bei den gesichteten Schildkröten tatsächlich um die bedrohte Europäische Sumpfschildkröte handelte. Wir sind fast sicher.

 

Für den Nachmittag hatten sich Oliver und Sebi noch eine besondere kleine Stippvisite überlegt: Bei Dannstadt hielten wir am Rande eines Gewerbeparks nach der Haubenlerche Ausschau: mit Erfolg! Zwei Haubenlerchen zeigten sich wie bestellt - eine tolle Beobachtung einer Art, die inzwischen leider einen sehr hohen Gefährdungsgrad in Deutschland aufweist.

Warten auf die Nachtschwalbe aka Ziegenmelker
Warten auf die Nachtschwalbe aka Ziegenmelker

Die Nachtschwalbe begeistert das ASO-Exkursions-Team

 

Kaum zu glauben, aber wahr: Damit war der Samstag für das inzwischen auf 15 Ornis angewachsene ASO-Team noch lange nicht zu Ende, ganz im Gegenteil: Am Abend besuchten wir die ehemalige Nike-Raketenstation bei Haßloch in der Pfalz. Früher eine Raketenbasis der US Army, ist die Fläche heute ein kleines Naturjuwel . Andreas Bauer von der POLLICHIA, dem für die Pflege zuständigen Verein für Naturforschung, Naturschutz und Umweltbildung, empfing uns vor Ort und erklärte die Zusammenhänge.

 

Und auch unser großer Wunsch erfüllte sich: Kurz nach Sonnenuntergang konnten wir eine Nachtschwalbe, bis vor kurzem als Ziegenmelker in den Bestimmungsbüchern zu finden, hören - und dann sowohl fliegend als auch sitzend beobachten. Ein absolutes Highlight der Exkursion für alle, zumal sich auch noch eine Waldschnepfe zeigte. Die Stimmung war fast mystisch.

 

Weinberge bei Deidesheim - Lebensraum für Zaunammer und Wendehals
Weinberge bei Deidesheim - Lebensraum für Zaunammer und Wendehals

Von der Zaunammer zur Bienenfresser-Kolonie

 

Mehr geht nicht? Doch! Der abschließende Sonntag war nämlich einem ganz anderen Lebensraum gewidmet: Es ging in die pfälzischen Weinbauregionen um Ruppertsberg-Königsbach und Deidesheim. Unser Ziel: wärmeliebende Arten. Und wieder herrschte Lifer-Alarm, denn die Zaunammer kommt in Deutschland nur sehr begrenzt vor, hat aber am Ostabfall des Pfälzer Waldes, auch als Haardtrand bekannt, ihren Verbreitungsschwerpunkt bei uns. Und tatsächlich konnten wir den Vogel mit der markanten Kopfzeichnung, der etwas kleiner als die Goldammer ist, bei zwei Stopps ausgiebig betrachten und singen hören. Besonders in Erinnerung wird darüber hinaus jener Wendehals bleiben, der mehr als eine Viertelstunde lang am Boden Ameisen verputzte. Eine tolle Sichtung dieser normalerweise schwer zu beobachtenden Spechtart.

 

 

Das Exkursionsplanungsteam. Alles super organisiert!!
Das Exkursionsplanungsteam. Alles super organisiert!!

 

 

Begeistert ließen wir Zaunammer und Wendehals zurück und machten uns auf zum krönenden Abschluss der Exkursion, der Bienenfresser-Kolonie bei Gerolsheim. Schon bei unserer Ankunft sorgten ein Wander- und ein Baumfalke für einigermaßen Unruhe unter den wunderschönen Vögeln. Rund 45 Bienenfresser stiegen auf, ehe sie sich wieder beruhigten und in der Nähe ihrer Bruthöhlen niederließen. Traumhaft und ein würdiges Finale unserer ASO-Exkursion, die mit 126 Arten auf der Beobachtungsliste und glücklichen Gesichtern zu Ende ging.

 

Zum Schluss noch einmal ein dickes Kompliment an unsere Organisatoren Oliver Focks und Sebastian Ludwig, die uns eine Exkursion der Extraklasse zusammengebastelt haben, einen guten Draht zum Wettergott zu haben scheinen und uns allen drei unvergessliche Tage bescherten.

 

 

(Text: Tobias Laure; Fotos: ASO-Exkursionsteilnehmer; Vogelfotos: Jana und Arkadi Selzer; Hauke Clausen-Schaumann )