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Vogelforschung am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz

Begrüßung am Max-Planck Institut in Seewiesen
Begrüßung am Max-Planck Institut in Seewiesen

 

07.07.2023

 

An einem sommerlichen Freitagnachmittag versammelten sich etwa 15 Ornis vor dem Max-Planck-Institut in Seewiesen. Die Exkursionsplätze waren bereits lange im Voraus vergeben und die Vorfreude auf Einblicke in die aktuelle Forschung war dementsprechend groß.

 

Dr. Sabine Spehn als Kommunikationsleitung des Instituts begrüßte uns und gab einen kurzen Abriss in die etwa 60-jährige Geschichte des Instituts. Der Arbeitsfokus liegt auf Grundlagenforschung in Bereichen wie Verhaltensökologie, Evolutionsbiologie und Neurowissenschaften.

 

Windkanal mit Zebrafinken (im Hintergrund)
Windkanal mit Zebrafinken (im Hintergrund)

Als erste Station besuchten wir den Windkanal, wo uns Claudia Ramenda einige Aspekte der dort stattfindenen Forschung erläuterte. Im Windkanal wird z.B. an Zebrafinken erforscht, wie sie mit Rufen ihren Flug im Schwarm koordinieren. Manche Finken rufen, bevor sie die Flugrichtung ändern. (Also das Vogel-Pendant zum Blinken beim Autofahren…) Die Vorwarnung wirkt dabei genauso gut wie bei uns, denn: Die ruffreudigen Finken kollidieren seltener mit ihren Artgenossen. Diese Erkenntnis ist aufwändig erarbeitet. 2-3 Monate lang werden die Finken an den Windkanal, die Geräusche sowie den 0,6g leichten Mikrofonsender gewöhnt. In Kleingruppen von etwa fünf Tieren fliegen die 16g-Vögel für wenige Minuten im Windkanal. Der Windkanal ist so geformt, dass keine Turbulenzen entstehen, und dort können Geschwindigkeiten bis zu 38 m/s exakt reguliert werden. Die Zebrafinken fliegen im Schnitt mit 20 m/s und werden anschließend mit Spezialfutter belohnt. Sie dürfen sogar „fernsehen“, das heißt, ihnen wird eine grüne Landschaft als Videoaufzeichnung vorgespielt. (Bei manchen Experimenten kann wohl auch mal ein Greifvogel auftauchen – wie das wohl die Geschwindigkeit beeinflusst?!) Kurios fanden wir alle die individuellen Unterschiede zwischen den Finken. Manche Exemplare bleiben wohl bevorzugt sitzen, denn nicht alle haben „Bock aufs Fliegen“. Auch zwischen den Arten gibt es Unterschiede, so z.B. haben sich Kanarienvögel den Ruf erarbeitet, recht flugunwillig zu sein...

Clemens Küpper berichtet über die Kampfläufer
Clemens Küpper berichtet über die Kampfläufer

Nach diesem interessanten ersten Stopp ging es weiter zu Dr. Clemens Küpper, der zu Verhaltensgenetik und Evolutionäre Ökologie forscht und mit einer flauschigen Überraschung auf uns wartete. Der jüngste Kampfläufer-Nachwuchs  untermalte Clemens Küppers Erklärungen anschaulich und durfte, sehr zur Freude aller Teilnehmenden, von manchen kurz in die Hand genommen werden. Clemens Küpper beschrieb drei Subtypen der männlichen Kampfläufern: Der „Kämpfer“ (85% der Population) hat typischerweise dunkleres Gefieder, balzt aggressiv und verteidigt sein Territorium. Der „Satellit“ (14%) hat meist eine helle Halskrause, kein eigenes Territorium und geht lose Allianzen mit „Kämpfern“ ein. Der „Faeder“ (1%) sieht aus wie ein Weibchen, um heimlich in den Balzarenen zu gelangen und die Weibchen dort überraschend zu begatten. Diese enormen Verhaltensunterschiede werden durch eine Geninversion erklärt, die sich u.a. auf die Testosteronproduktion auswirkt. Wirkt sich die Geninversion auch auf anderes Sozialverhalten aus? Daran wird im Institut mit ca. 400-500 Kampläufern geforscht. Ergänzt werden die Untersuchungen durch Feldstudien in Finnland.

 

Referat von Michaela Hau über die Kohlmeisen
Referat von Michaela Hau über die Kohlmeisen

In der Sommerhitze gings dann auf einen Sprung zum See und anschließend wartete eine weitere nette Überraschung auf uns - Kaffee und Kekse. So gestärkt lauschten wir Prof. Dr. Michaela Hau aus der Forschungsgruppe Evolutionäre Physiologie, die sich dafür interessiert, wie Tiere mit Umweltveränderungen umgehen. Dafür fing sie über fünf Jahre hinweg dieselben Kohlmeisen nach minutiöser und präziser Planung. Eine Blutentnahme verriet den Wert des Stresshormons Kortikosteron. Dieses wird bei niedrigen Temperaturen vermehrt produziert und hilft dem Vogel, Wärme zu erzeugen. Michaela Hau konnte im Schnitt zeigen: Je wärmer die Umgebung, desto weniger Kortikosteron hatten die Meisen. Wichtig dabei: Manche Meisen passten ihren Stresshormonspiegel stärker an die Umgebungstemperatur an als andere. Diese Variabilität könnte helfen, auf Umweltveränderungen z.B. infolge des Klimawandels schneller zu reagieren. Evolution im Schnelldurchlauf!

 

Einen letzten Forschungseinblick gewährte uns Michael Stiegler. Er untersucht in seiner Bachelorarbeit das Futterverhalten von Kohlmeisen mittels Radio Frequency Identification (RFID). Mit dieser Technik können Vögel mit einem speziellen Ring eindeutig und kontaktlos von einem Lesegerät identifiziert werden, das z.B. in einer Futtersäule angebracht ist. Automatisiert konnten dadurch in einem Vier-Monats-Zeitraum im Winter von 93 Meisen ca. 15.000 Besuche an 20 Futtersäulen registriert werden. Eine enorme Datenmenge, die ohne diese clevere Technik nicht so leicht gesammelt werden könnte. Die hungrigste Meise brachte es auf knapp 1000 Besuche, wobei sie neun unterschiedliche Futtersäulen ansteuerte. Insgesamt schwankte die Besuchsanzahl erheblich, manche Meisen hatten nach einem einzelnen „Versuchsbissen“ kein Interesse mehr am Supermarktfutter. An einer Futterstelle wurden 45 verschiedene beringte Meisen registriert (und es gab sicher noch viel mehr unberingte). Wer also meint, er sähe jeden Tag die gleichen Meisen im eigenen Garten, täuscht sich vielleicht…

Die vielen Nachfragen der Ornis zeigten das rege Interesse und die Begeisterung für die Themen und die Fragen wurden von jedem Institutsmitarbeitenden geduldig und ausführlich beantwortet. Vielen lieben Dank an das Institutsteam für die herzliche Aufnahme und die interessanten und witzigen Einblicke in die aktuelle Forschung. Und großen Dank an Pit Brützel für die wie immer wunderbare Organisation dieser außergewöhnlichen Exkursion.

 

 

 

PS: Für alle, die mehr wissen wollen: Hier gibt’s Infos zum Kampfläufer-Projekt  sowie Infos zu den Hormonuntersuchungen der Kohlmeisen .

 

 

(Text: Amelie Hörburger; Fotos: Peter Witzan; Amelie Hörburger, Pit Brützel)