Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Ehemaliges Pionierübungsgelände Krailling

Gebietsbeschreibung

Lage und Entstehung

"Schreinergrube" im ehemaligen Pionierübungsgelände
"Schreinergrube" im ehemaligen Pionierübungsgelände

Der ehemalige Pionierübungsplatz in der Gemeinde Krailling ist einer der letzten Reste der früher großflächig rund um München typischen Trockenbiotopkomplexe. Das Gelände ist Teil des Landschaftsschutzgebietes „Kreuzlinger Forst“. Für viele Tiergruppen (Vögel, Reptilien, Amphibien, Libellen, Heuschrecken, Ameisen, Tagfalter) ist das Gebiet landesweit bedeutsam (Stellwag, 2004).

Die heutige Naturschutzbedeutsamkeit ergibt sich aus der bis in das Mittelalter zurückreichenden Nutzung: zum Einen durch Eichen und Hainbuchen dominierte Hutewälder, zum Anderen aus dem vielfältigen Mosaik der vom Militär zwischen 1935 und 1992 geschaffenen offenen und halboffenen Böden und den Gruben. Das Gebiet wurde auch beeinflusst von den Stürmen und Windwurfkalamitäten der 1990-er Jahre, ebenso von der nachfolgenden Pflegeaktivität. Es ist ein "Lebensraum aus zweiter Hand", ein Sekundärbiotop.

Floristisch sind die Magerrasen des Gebietes immer noch mehr weide- als mahdgeprägt. Kalkmagerrasen deuten auf abwechselnde Acker- und Weidenutzung hin (Quinger, 2009). Prägend sind auch fünf, bis 20 m tiefe Gruben, die 1940 für unterirdische Treibstofftanks ausgehoben wurden. Die potenzielle natürliche Vegetation der offenen Schotterflächen des Geländes sind Waldgesellschaften mit Kiefern, Birken, Eichen und Weiden.

Allerdings würden beispielsweise Fichten bei ungehinderter Sukzession die potenzielle natürliche Vegetation zumindest teilweise verdrängen. Die auf 1872 begonnene Aufforstungen zurückgehenden, großflächigen Forste standortfremder Fichten sind naturschutzfachlich ohne Bedeutung. Auch als Wildäcker genutzte Wiesen sind meist relativ artenarm und nicht standorttypisch.

Die entscheidenden Habitatqualitäten sind damit stark von der Einflussnahme des Menschen abhängig. Sollen diese weiterhin bestehen, muss eine behutsame Nutzung fortgeführt bzw. durch Pflegemaßnahmen ersetzt werden. Das Ziel ist der Erhalt und die Entwicklung der regionaltypischen, offenen bis halboffenen Trockenhabitate und die Bewahrung eines kleinräumigen Mosaiks unterschiedlicher Sukzessionsstadien. Besondere Berücksichtigung finden dabei Pioniergewässer, vegetationsarme Flächen und Magerrasen.

Pflegemaßnahmen im Pioniergelände

Hindernisse bei der Pflege (Foto: H.Guckelsberger)
Hindernisse bei der Pflege (Foto: H.Guckelsberger)

Seit dem Ende der militärischen Nutzung zu Beginn der 90-iger Jahre werden Teilbereiche des Gebietes vom LBV Starnberg in Kooperation mit dem zuständigen Bundesforstamt und mit Unterstützung der Gemeinde Krailling gepflegt und entwickelt. Es ist in hohem Maße der Zusammenarbeit von Forst, Gemeinde und LBV Starnberg zu verdanken, dass nach der Einstellung des militärischen Übungsbetriebes eine derart hohe Artenvielfalt und die Vorkommen zahlreicher naturschutzbedeutsamer Arten noch bestehen.

Bei der Konzeption der Pflege müssen aber auch Rahmenbedingungen beachtet werden: Das Gelände ist nicht nur als "Wald im Sinne des Waldgesetzes" ausgewiesen, es ist sogar "Bannwald". Daher sind Vorgaben der zuständigen Forstbehörden wie auch die konkreten Umsetzungen durch den Revierförster einzuhalten.

Relikte militärischer Nutzung (Foto: H.Guckelsberger)
Relikte militärischer Nutzung (Foto: H.Guckelsberger)

Dazu hat die Fläche unterschiedliche Eigentümer - die Gemeinde Krailling, die Bundesimmobilienverwaltung sowie verschiedene Privatwaldbesitzer -, deren Rechte und Interessen zu berücksichtigen sind. Für die Flächen der Gemeinde Krailling besteht neben dem Forstbetriebsplan ein Pflege- und Entwicklungsplan (PEPL), der schrittweise umgesetzt wird. Für die Flächen des Bundes konnte der LBV Starnberg dankenswerter Weise eine (begrenzte) Pflegeduldung in Absprache mit dem Revierförster der Bundesimmobilienverwaltung erreichen. Die Privatwälder sind vom Wirtschaftsbaum Fichte dominiert und stehen außerhalb des Einflusses durch den Naturschutz.

Nicht verschwiegen werden sollten Pflegehindernisse. Die vorausgegangene militärische Nutzung hat eine Reihe verborgener Relikte - Eisenschienen, Drahtgitter, Metallanker, Betonteile, Stahltrossen - hinterlassen, die erhebliche Hindernisse bei der Pflege darstellen.

Im Folgenden werden einige der charakteristischen Lebensraumtypen und –komplexe des ehemaligen Pionierübungsplatzes in Bildern vorgestellt.

Pioniergewässer in Trockenbiotopen

Von zentraler Bedeutung als charakteristische Art des ehemaligen Truppenübungsplatzes ist die bayernweit vom Aussterben bedrohte Wechselkröte (Bufo viridis, Rote Liste Bayern (RLB) 1) Ihr Bestand zählt mit zu den wenigen noch verbliebenen auf der Münchener Ebene. Neben der östlichen Donauniederung stellt die Münchener Ebene einen der beiden Verbreitungsschwerpunkte in ganz Bayern dar, so dass der Sicherung des Vorkommens eine hohe Priorität zukommt.

 

Zur Förderung der Wechselkrötenpopulation wurden künstlich mehrere kleine Flachgewässer angelegt. Pioniergewässer wie diese bieten auch gefährdeten Libellen einen Lebensraum. Neben den Kaulquappen der Wechselkröte sind auch viele andere Tierarten, wie z.B. Wasserläufer (Gerris spec.) zu entdecken.

Im Frühsommer kann man in solchen Gewässern häufig die zu den Lungenschnecken gehörende Spitzschlammschnecke (Lymnaea stagnalis) beobachten. Die Schnecke kann frei nach oben und unten schwimmen, an der Unterseite der Wasseroberfläche entlang gleiten und kommt zum Atmen an die Wasseroberfläche.

Vegetationsarme Kiesfluren und Magerrasen

Flächen wie diese sind Lebensraum der in Bayern stark gefährdeten Blauflügligen Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens, RLB 2), die in verschiedenen Farbvarianten vorkommt. Die türkisblauen Flügel sind nur sichtbar, wenn das Insekt auffliegt. Weitere charakteristische Arten strukturreicher Kiesfluren sind die Schlingnatter (Coronella austriaca, RLB 2), Gefleckte Keulenschrecke (Myrmeleotettix maculatus, RLB 3) und Himmelblauer Bläuling (Polyommatus bellargus, RLB 3). In früheren Jahren konnten hier auch Heidelerche (Lululla arborea, RLB 2) und Wendehals (Jynx torquilla, RLB 2) nachgewiesen werden. Diese Vogelarten trifft man heute nur mehr sehr sporadisch zur Zugzeit im Pioniergelände an.

Der Silberbläuling (Polyommatus coridon, RLB V) ist Insekt des Jahres 2015  und  eine typische Art der intermediären oder Kalk-Magerrasen. Sie hat im ehemaligen Pionierübungsgelände eines ihrer wenigen Vorkommen im Landkreis und kann Anfang August auf den Offenflächen gut beobachtet werden. Die ehemalige Schiessbahn ist mit Regensburger Geißklee (Chamaecytisus ratisbonensis, eine Zwergginsterart), Gold- und Silberdistel, sowie Fransenenzian (Gentianella cilliata) und dem Grasnelkenblättrigen Habichtskraut (Tolpis staticifolia) (RLB V) auch botanisch interessant. 

Halbtrockenrasen

Die so genannte Schlehenwiese nahe dem beschrankten Eingang vom KIM-Gelände ist ein typischer Halbtrockenrasen. Darauf findet man Glockenblume (Campanula cf. rotundifolia), Kreuzenzian (Gentiana cruciata, RLB 3) und Besenginster (Cytisus scoparius).

 

Durch Mahd und Entbuschungsmaßnahmen bemüht sich der LBV, den Charakter dieser und anderer Flächen zu erhalten.

 

Halbtrockenrasen beherbergen besonders viele Schmetterlingsarten, wie z.B. Rostbraunes Wiesenvögelchen (Coenonympha glycerion, RLD 3), Perlmutterfalter (Boloria selene, RLB 3), Würfeldickkopf (Hesperia comma, RLB 2) und Gemeines Blutströpfchen (Zygaena filipendulae).

Halboffene Sukzessionsflächen

Sukzession gefährdet an vielen Stellen den offenen Charakter der Magerrasen und beherbergt gleichzeitig ein anderes, interessantes Artenspektrum. Gebüsche schmalblättriger Weiden sind ein ideales Habitat für die in Deutschland stark gefährdete Auenwald-Winkeleule (Mesagona oxalina, RLD 2) und den nachtaktiven Weidenschwärmer (Smerinthus ocellatus). 

Laubholzaufwuchs begünstigt auch den stark gefährdeten Laubfrosch (Hyla arborea) und das im Voralpenland ebenfalls stark gefährdete Blaue Ordensband (Catocala fraxini). Die Kleine Pappelglucke (Poecilocampa populi) kann bis in den Winter beobachtet werden.

Lichte Saumstrukturen

Das in Deutschland vom Aussterben bedrohte Wald-Wiesenvögelchen (Coenonympha hero, RLB 2) hat in Bayern einen Verbreitungsschwerpunkt, woraus sich eine besondere Verantwortung für den Schutz der Art ergibt. Die an Gräsern lebende Art ist vermutlich ein Relikt der Hutewälder und hat besondere Ansprüche: offene Bodenstellen, aber keine großen Freiflächen; warmes und gleichzeitig feuchtes Mikroklima; offene, nicht zu dichte Gehölzstrukturen. Das passt zur parkartigen Struktur von lichten Weidewäldern mit allmählichen Übergängen zu offenen Stellen.

 

C. hero kann auf dem ehemaligen Pionierübungsgelände bevorzugt in oder an den Gruben beobachtet werden. Der LBV Starnberg bemüht sich besonders, bei der Pflege diese Waldrandstrukturen zu berücksichtigen.

 

(Text und Fotos, soweit nicht anders angegeben: Klaus Gottschaldt)

 

Referenzen:

Quinger, B. (2009): Die Vegetation und weitere Biotopstrukturen des ehemaligen Pionierübungsplatzes und des ehemaligen IVG Geländes südwestlich von Krailling. Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Bund Naturschutz, Herrsching.

Stellwag, H. (2004): Zusammenfassung und Auswertung der faunistischen Kartierungen auf dem ehemaligen Pionierübungsplatz (PioÜbPl) Krailling (2000-2003) mit Hinweisen zur Schutzwürdigkeit des Gebietes, zu einem Zielartenkonzept sowie zur Landschaftspflege. Unveröffentlichte Studie im Auftrag des LBV, Kreisgruppe Starnberg.

 

Sieben Orchideenarten wachsen im ehemaligen Pioniergelände Krailling

Durch die Einhaltung eines strukturierten Pflegeplanes der Gemeinde Krailling und das sorgfältige Mähen und Entbuschen durch die Mitarbeiter des Bauhofes und die Landschaftspfleger des LBV Starnberg konnten sich im ehemaligen Pioniergelände  sieben Orchideenarten wieder gut entwickeln.

Folgende Orchideenarten konnten auf diesem kleinen Areal festgestelt werden:

 
1. Weisses Waldvöglein ( (Cephalanthera damasonium), (Foto: Stephan Rauscher)
2. Braunrote Stendelwurz (Epipactis atrorubens), (Foto: Ingrid Buenaventura)
3. Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine), (Foto: Günther Paschek)
4. Helm-Knabenkraut (Orchis militaris), (Foto: Markus Scherl
5. Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea), (Foto: Stephan Rauscher)
6. Fuchs-Knabenkraut (Dactylorhiza fuchsii), (Foto: Stephan Rauscher)

7. Schmalblättriges Waldvöglein ( (Cephalanthera longifolia)  (Foto: Stephan Rauscher)

 

(Text: Günther Paschek)