Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Der Küchenschellenhang am Jaudesberg

In der Würm-Eiszeit hat die Ammersee-Gletscherzunge des mächtigen Isar-Loisach-Gletschers Seiten­moränen hinterlassen, die heute die Hänge zwischen Herrsching und Grafrath bilden. Auf deren wasserdurchlässigem Kies haben sich trockene Böden gebildet. Zusammen mit der west- bis südwest-orientierten, also der Sonne zugewandten Exposition, konnten sich dort nähr­stoff­arme Kalk-Magerrasen etablieren.

 

Der LBV pflegt einen 0,37 ha großen Trockenhang im südlichen Teil des Jaudesberg-Höhenzuges. Namensgebend für den Hang war die Küchenschelle (Pulsatilla vul­garis, RL BY 3), ein schöner nacheiszeitlicher Zuwanderer, vermutlich aus den eisfrei gebliebenen deutschen Mittelgebirgen. Bis in die 1980er Jahre kam die Küchenschelle dort massenhaft vor. Dann begann – völlig unerklärlich - ein rapider Schwund, bis nur noch zwei Exemplare übrig blieben.

 

Über die Gründe wird spekuliert. An mangelnder Pflege des Hanges kann es nicht gelegen haben, wird der Hang doch seit Anfang der 1990er Jahre regel­mäßig vom LBV gemäht. Es kursiert die Vermutung, gewissenlose Heilpraktiker hätten die in der Volksmedizin als Heilpflanze ge­führten Küchen­schellen ausgegraben. Andere vermuten, dass die Umstellung von einer früheren, aber nicht bezeugten Schafbeweidung auf die Mahd die Ursache sei. Eine weitere These geht davon aus, dass der un­vermeidliche Stickstoff-Eintrag aus der Luft – er entspricht in drei Jahren etwa einer Volldüngung – Ursache sein könnte. Nicht zuletzt wird die Moosbildung auf dem eigentlich sehr trockenen und sonnigen Hang dafür verantwortlich gemacht, dass die mit langer „Flugfeder“ versehenen Samen nicht mehr aufgehen, weil sie auf keinen offenen Boden mehr gelangen – auch das wäre eine Folge ausbleibender Be­weidung mit den damit einhergehenden Bodenverletzungen durch Hufe.

 

Im Jahr 2013, angeregt und genehmigt von den Naturschutzbehörden, durfte der LBV 2,3 g Samen auf benachbarten Flächen sammeln, sie zur Nachzucht in einen Fachbetrieb geben, um dann 2014 an die 800 Pflänzchen einzusetzen. Im Jahr darauf: keine neuen Blüten. Mit übrig gebliebenen ca. 30 Pflänzchen wurde noch einmal ganz besonders sorgfältig gepflanzt und immer wieder gegossen. Danach: die beiden „Veteranen“ blühten, sonst nichts.

 

Dann endlich im Jahr 2021 eine Erfolgsmeldung: Unser Botaniker Dr. Rudi Netzsch zählte 17 Blüten.

 

Die Mahd auf dem unterschiedlich steilen, stufenweise abfallenden Gelände ist nicht einfach. Wir lassen gezielt bis zu 25 % der Fläche abwechselnd ungemäht als Brache stehen. Damit bleibt dort das Samenpotential erhalten und Eier und Larven von Insekten überleben, sodass sich die Arten weiter ausbreiten können. Um die Silberdisteln machen wir ohnedies einen Bogen und mähen dort nicht mit dem Balkenmäher, sondern mit der Motor-Sense. Das Mähgut muss nach dem Zusammenrechen auf Planen zum Hangfuß gezogen werden, weil der Hang für Ladewagen nicht befahrbar ist.

 

Eine Gefährdung des Biotops, die nur durch die regelmäßige Pflege abzuwenden ist, sind wuchsstarke Arten wie Kanadische Goldrute, Breitblättriges Laserkraut und Acker-Kratzdistel, die sich vom Rand der Pflegefläche her auszubreiten drohen.

 

Für alle Mühen entschädigt der freie Blick über die Landschaft, stellenweise auch auf den friedlich daliegenden Ammersee, den „Bauern­see“ und natürlich die große Blumenvielfalt und der Blütenreichtum auf der Fläche.

 

 (Text: Horst Guckelsberger / Dr. Rudi Netzsch. Fotos: Horst Guckelsberger)

 


Weiteres Wissenswertes

Königsberg
Königsberg

 Höchster Punkt des Jaudesbergs mit der Kapelle für den Europa-Heiligen Benedikt ist der „Königsberg“, 617 m über NN und damit 84 m über dem Seespiegel des Ammersees. An diesem schönen Aussichtspunkt feierte König Ludwig I. im August 1838 mit großer Entourage seinen Geburts- und Namenstag. Daraufhin wurde der Jaudesberg von den Einheimischen in „Königsberg“ umbenannt. Aber auch König Ludwig II. fand Gefallen am Jaudesberg und hatte dort einmal ein Schloss geplant. Die wunderbare Aussicht auf den nahen Ammersee, die fernen Bergketten der Ammergauer und Allgäuer Alpen und die sanften Hügel des westlichen Hinterlandes des Ammersees macht diesen - zum Glück nie realisierten - Plan verständlich. Der merkwürdige Name „Jaudesberg“ soll, aus welchen Gründen auch immer, an „Judas“ erinnern. Nur wird zur Abwehr eines Namensfluches dieser „verdammte Name“ nicht direkt ausgesprochen – vom Teufel als „Gottseibeiuns“ ist das ja auch bekannt.

 

 

Gleitschirmflieger am Jaudesberg
Gleitschirmflieger am Jaudesberg

 

Auch der Westhang des Königsberges hätte durchaus das Potential für einen blütenreichen Halbtrockenrasen. Er wurde trotz seiner extensiv bewirtschafteten Mähwiesen leider nicht in das umgebende FFH-Gebiet 7932-372 „Ammerseeufer und Leitenwälder“ eingebunden. Belastet wird dieser dem Westwind zugewandte Hang durch die zahlreichen Gleitschirmflieger. Sie lassen sich beim Wiederaufstieg den Hang hinauf vom Wind unterstützen und treten dabei die Wiesen nieder. Natürlich leidet auch die Vogelwelt, die durch diese Aktivitäten vertrieben wird.

 

 

 

(Text: Horst Guckelsberger / Dr. Rudi Netzsch. Fotos: Horst Guckelsberger)