Gemeinsam Bayerns Natur schützen

Der Enzian-Ameisenbläuling (Phengaris alcon/rebeli)

Männchen des stark gefährdeten Enzian-Ameisenbläulings. Die blaue Flügeloberseite gab den „Bläulingen“ ihren Namen, sieht aber bei vielen Arten dieser Schmetterlingsfamilie ähnlich aus. (Foto: Egbert Friedrich)
Männchen des stark gefährdeten Enzian-Ameisenbläulings. Die blaue Flügeloberseite gab den „Bläulingen“ ihren Namen, sieht aber bei vielen Arten dieser Schmetterlingsfamilie ähnlich aus. (Foto: Egbert Friedrich)

Der Enzian-Ameisenbläuling hat in seinem Lebenszyklus ein paar erstaunliche Tricks auf Lager. Der erste ist die Wahl der Futterpflanze für die jungen Raupen: Am bitteren Enzian ist die Gefahr gering, von Weidevieh einfach mitgefressen zu werden.

 

Die Eiablage erfolgt nahe bei den Blütenknospen. Die jungen Raupen fressen nicht etwa die Blätter, sondern dringen in die Blütenknospe ein, wo sie sich von deren Innerem ernähren. Das hat für den Bläuling – Trick zwei – den Vorteil, dass dort im Blüteninneren die Raupen gut verborgen und geschützt sind. Dieser Trick ist für den Enzian und den Schmetterling riskant, denn damit können sie die Fortpflanzung ihrer Wirtspflanze merklich beeinträchtigen. Der Schmetterling sägt also an dem Ast, auf dem er sitzt. Zum Erhalt des Enzian-Ameisenbläulings ist also ein hinreichend stabiler Enzian-Bestand erforderlich, wofür nach Aufgabe der Weidenutzung heute die Pflegemaßnahmen des LBV beitragen.

 

Einige Populationen dieses kleinen, braun-blauen Tagfalters bevorzugen feuchte Enzianwiesen, andere dagegen eher trockene Biotope. *) Während in Feuchtbiotopen bevorzugt Lungen- und Schwalbenwurz-Enzian genutzt werden, kommt für die Raupen auf Kalkmagerrasen fast ausschließlich der Kreuz-Enzian infrage.

 

Auf den Flügelunterseiten des Enzian-Ameisenbläulings finden sich keine blauen oder orangeroten Flecken. Das unterscheidet ihn von den meisten ähnlichen, hier vorkommenden Arten. Verwechslungsgefahr besteht evtl. noch mit dem Hellen Wiesenknopf-Ameisenblä
Auf den Flügelunterseiten des Enzian-Ameisenbläulings finden sich keine blauen oder orangeroten Flecken. Das unterscheidet ihn von den meisten ähnlichen, hier vorkommenden Arten. Verwechslungsgefahr besteht evtl. noch mit dem Hellen Wiesenknopf-Ameisenblä

Der Ameisenbläuling verbringt in Enzianblüten allerdings nur den ersten Teil seines Larvenstadiums. Nach der vierten Häutung haben die heranwachsenden Raupen ihr Elternhaus verwüstet, bohren sich nach außen, lassen sich auf den Boden fallen und warten darauf, von einer Ameise in ihren Bau getragen zu werden. Hierfür verströmen sie den Duft der Ameisenlarven = Trick Nummer drei. Nun hat aber jede Ameisenart ihren eigenen Duft, der Ameisenbläuling ist dementsprechend auf bestimmte Knotenameisen der Gattung Myrmica spezialisiert. **) Kommt eine Ameise einer anderen Gattung (Formica, Lasius) vorbei, hat die Raupe Pech gehabt: sie wird als leichte Beute verzehrt. Als vierten Trick wagen sich die Raupen daher erst abends aus ihrer Enzianblüte, wenn Formica & Lasius schlafen und Myrmica auf Nahrungssuche unterwegs ist.

 

Kreuz-Enzian mit Eiern des Enzian-Ameisenbläulings, auf die man ab Juli achten kann. Wir würden uns sehr über Eierfunde im Landkreis Starnberg nördlicher als Herrsching freuen und erbitten ggf. eine kurze E-Mail an starnberg@lbv.de. Ein Belegfoto schadet
Kreuz-Enzian mit Eiern des Enzian-Ameisenbläulings, auf die man ab Juli achten kann. Wir würden uns sehr über Eierfunde im Landkreis Starnberg nördlicher als Herrsching freuen und erbitten ggf. eine kurze E-Mail an starnberg@lbv.de. Ein Belegfoto schadet

Myrmica trägt die vermeintliche Ameisenlarve in den Bau und füttert teilweise mehr als 20 Raupen pro Kolonie durch. Raupen und Puppen des Enzian-Ameisenbläulings schaffen sogar, sich mit Geräuschen und Duft wie eine künftige Ameisenkönigin aufzuführen (Audio-Beispiel, Quelle: science.sciencemag.org) . Die Ameisen-Arbeiterinnen haben solchen Respekt vor Königinnen, dass sie die nicht immer perfekte Mimikry der Raupe nicht nur akzeptieren, sondern ihr sogar eine Vorzugsbehandlung geben. Wenn der fertige Kuckucks-Schmetterling schlüpft, muss dieser allerdings zusehen, dass er so schnell als möglich aus dem Bau herauskommt, denn jetzt ist er nicht mehr durch Duftstoffe getarnt.

 

Leider sind bisher keine Vorkommen des in Bayern und Deutschland stark gefährdeten (RL Kategorie 2) Enzian-Ameisenbläulings im nördlichen Landkreis Starnberg bekannt. Ein Nachweis wäre hochinteressant, egal ob an Kreuz-Enzian oder einer anderen Enzianart. Die Falter können evtl. mit anderen Bläulingsarten verwechselt werden, weiße Eier an oder bei Enzianknospen sind dagegen aber ein sicherer Hinweis auf den Enzian-Ameisenbläuling.

 

(Text: Dr. Rudi Netzsch, Dr. Klaus Gottschaldt)

 

Anmerkungen:

*) Die Evolution macht hier gerade aus einer Art zwei neue Arten (in statu nascendi). Manche Wissenschaftler unterscheiden bereits zwischen dem Lungenenzian-Ameisenbläuling (Phengaris alcon) und dem Kreuzenzian-Ameisenbläuling (Phengaris rebeli). Andere wieder sehen den Kreuzenzian-Feinschmecker – welcher eigentlich als Gebirgsart beschrieben wurde - nur als Unterart an (Phengaris alcon ssp. rebeli).

**) Die bayerischen Trockenrasen-Populationen kehren meist bei M. sabuleti ein, aber auch bei M. scabrinodis und M. schencki.